„Wenn diese innere Motivation durch das Team und die Führung gesehen und wertgeschätzt wird und darauf geachtet wird, dass die Person mit ihren Fähigkeiten und Interessen an der richtigen Stelle eingesetzt wird, weder über- noch unterfordert ist, dann kann diese Leistungsbereitschaft langfristig erhalten bleiben“ , so Prof. Dr. Tatjana Schnell, Psychologin und Gründerin von Sinnmacher.
Im Interview erklärt Prof. Dr. Tatjana Schnell, warum Sinnhaftigkeit entscheidend für Motivation, Gesundheit und Leistungsfähigkeit ist – und weshalb Unternehmen Sinn nicht strategisch inszenieren, sondern authentisch leben müssen.
Was ist sinnvolle Arbeit – und wie wird sie erlebt?
Sinnvolle Arbeit motiviert. Wer merkt, dass die eigene Arbeit positive Konsequenzen hat, übernimmt Verantwortung und strebt nach Qualität – weil es um die Sache geht. Deshalb ist es wichtig, das Warum der eigenen Organisation erfahrbar zu machen. Warum gibt es uns? Was leisten wir? Was trägt jede und jeder Einzelne von uns dazu bei? Neben diesen Aspekten der Orientierung und Bedeutsamkeit hängt sinnvolle Arbeit auch davon ab, dass sie zu einer Person, ihren Fähigkeiten, Sinnquellen und ihrem Lebensentwurf passt (Kohärenz), und dass der Umgang miteinander durch Wertschätzung, Ehrlichkeit und Partizipation geprägt ist (Zugehörigkeit).
Welche Rolle spielt sinnvolle Arbeit für unsere mentale Gesundheit?
Sinnvolle Arbeit ist gesund – psychisch wie körperlich. Zahlreiche Studien zeigen: Wer einen Sinn in seiner Tätigkeit erkennt, erlebt weniger Stress, Angst und depressive Verstimmung. Emotionale Erschöpfung, Nervosität, Reizbarkeit, Antriebslosigkeit und Konzentrationsprobleme treten seltener auf. Auch körperliche Beschwerden wie Rücken- und Gelenkprobleme oder Kopfschmerzen sind weniger verbreitet. Menschen schlafen besser, fühlen sich belastbarer und berichten insgesamt von höherem Wohlbefinden.
Dabei spielen die Arbeitsbedingungen eine wichtige Rolle: Wo Menschen ihre Tätigkeit eigentlich als sinnvoll erleben, sie aber nicht angemessen umsetzen können – etwa bei hohen Anforderungen und geringen Ressourcen – da kann der Sinn der Arbeit zur Belastung werden.
Auf welchen Ebenen in Unternehmen sollte man sich mit dem Thema Sinn auseinandersetzen?
Die Sinnhaftigkeit von Arbeit hängt von verschiedenen Akteuren ab: Stehen die Führungskräfte überzeugt vor wie auch hinter ihrer Organisation, sind sie authentisch in ihrer Führung? Fühlen Mitarbeitende sich eingebunden und wertgeschätzt? Sind sie an der richtigen Stelle mit ihren Fähigkeiten und Sinnquellen? Ist klar, wie einzelne Aufgaben mit dem übergeordneten Ziel der Organisation zusammenhängen? Wie verortet sich die Organisation in der Gesellschaft? Übernimmt sie Verantwortung für Stakeholder? All dies hängt eng miteinander zusammen. Wo Sinnorientierung authentisch gelebt wird, entsteht Motivation und Inspiration. Bleibt sie reine „Strategie“, um des Erfolgs anstatt der Sache willen, dann reagieren Mitarbeitende schnell mit innerem Rückzug und Zynismus.
Inwiefern wird die Leistungsfähigkeit durch individuelles Sinnerleben beeinflusst – und wie lässt sich das erklären?
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Menschen, die einen Sinn in ihrer Arbeit sehen, sich stark damit identifizieren. Sie sehen die Notwendigkeit, dass sie getan wird. Dieser Fokus auf die Sache bewirkt eine in gewisser Weise „selbstverständliche“ Verantwortungsübernahme. Es geht um etwas, deshalb gebe ich natürlich mein Bestes!
Wenn diese innere Motivation durch das Team und die Führung gesehen und wertgeschätzt wird und darauf geachtet wird, dass die Person mit ihren Fähigkeiten und Interessen an der richtigen Stelle eingesetzt wird, weder über- noch unterfordert ist, dann kann diese Leistungsbereitschaft langfristig erhalten bleiben.






