Extremwetterereignisse, veränderte Rahmenbedingungen aufgrund geopolitischer Verwerfungen, sowie die Transformation des Energiesystems brachten 2022 große Herausforderungen für die sichere Stromversorgung Österreichs und machen deutlich, wie wichtig der rasche Ausbau der Strominfrastruktur ist.
Rahmenbedingungen belegen Wichtigkeit einer kapazitätsstarken Netzinfrastruktur
Die geopolitischen Entwicklungen rund um den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine haben die ohnehin angespannte energiewirtschaftliche Gesamtlage – zu langsamer Umbau des Stromsystems u.a. in den Bereichen Netze und erneuerbare Produktion – zu Beginn des Jahres 2022 weiter verschärft. Noch nie da gewesene reale Rohstoffengpässe (u.a. Gas) und daraus resultierende Preissteigerungen waren die Folge. Dabei ist die Verfügbarkeit von Gas gerade in den Wintermonaten zentral für die sichere Stromversorgung in Österreich und Europa. Zusätzlich zeigten sich im Jahr 2022 vermehrte Anzeichen der fortschreitenden Klimakrise. Eine große Anzahl an Extremwetterereignissen in Europa (u.a. Hitzeperioden, wenig Niederschläge) in den Sommermonaten haben große energiewirtschaftliche Auswirkungen, wodurch insgesamt Stromsparen das Gebot der Stunde wurde, um möglichen Strommangellagen entgegenzuwirken.
Gleichzeitig wurde noch sichtbarer, dass eine kapazitätsstarke und für die Energiezukunft zeitgerecht ausgebaute Strominfrastruktur der Schlüsselfaktor für die Versorgungssicherheit, eine nachhaltige CO2 Reduktion sowie die Verfügbarkeit von preisgünstigem Strom ist.
Tendenz zum sinkenden Stromverbrauch vor allem in den vergangenen Monaten des Jahres
Im Jahr 2022 wurden in Österreich 61.634 GWh (Gigawattstunden) Strom verbraucht. Etwa zwei Prozent weniger als der Referenzwert aus dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Wichtig dabei waren die Monate September bis November, in denen sogar fünf Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum eingespart werden konnte. Dies entspricht auch der Zielsetzung der Stromverbrauchreduktion der seit Dezember 2022 in Kraft befindlichen EU Stromnotfallmaßnahmenverordnung.
„Mit dem APG-Powermonitor, für den die APG im Dezember 2022 den Startschuss gab, wurde es für die österreichische Bevölkerung möglich, die effektivsten Stromsparstunden zu sehen und einen aktiven Beitrag zu leisten. Dies war ein wichtiger Beitrag dafür, dass Stromsparen nicht nur in absoluten Zahlen gelungen ist, sondern auch zu den ausgewiesenen Stunden besonders effektiv wirkte. Damit konnte nicht nur der Stromverbrauch, sondern auch der CO2-Ausstoß reduziert werden. Dies wirkt insgesamt auch preisdämpfend. Entscheidend für die Verfügbarkeit von preisgünstigem Strom ist jedoch der Ausbau der gesamten Netzinfrastruktur. Nur wenn wir diese zeitgerecht ausbauen, kann es uns gelingen die aktuelle Preisdifferenz für österreichische Industrie und Verbraucher von rund 26 Euro pro MWh zu z.B. Deutschland zu verringern.“, erklärt Gerhard Christiner, technischer Vorstand der APG
So erfreulich der sinkende Stromverbrauch auch ist, so wichtig ist es in Zukunft eine kapazitätsstarke Netzinfrastruktur verfügbar zu haben. Nur dann wird ein nachhaltiges Energiesystem versorgungssicher managebar.
Klimakrise wirkt sich auf Produktionsleistung aus erneuerbaren Energien aus
Bei den Erneuerbaren macht sich die Klimakriese besonders bemerkbar. Der trockene Juli 2022 führte zu 24 Prozent weniger Niederschlag als im Vorjahr. Dies führte zu einer Reduktion an Produktion aus Laufkraftwerken um 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im August lagen wir um 38 Prozent unter dem Vorjahresniveau, wobei der Nachfolgemonat September mit plus 5 Prozent gegenüber dem Vormonat etwas besser war. Für ein „Wasserland“ wie Österreich – Strom wird nicht nur aus der Laufwasserkraft für die Stromproduktion genutzt, sondern auch mittels Pumpspeichern – sind dies wichtige Daten für die Zukunft, da andere Erneuerbare wie Wind und PV diese Defizite nur teilweise kompensieren konnten.
Tageweise 100% Bedarfsdeckung aus Erneuerbaren im Mai und Juni
Im Mai und Juni 2022 konnte die Stromerzeugung durch nachhaltige Energiequellen dank des wärmeren Wetters gegenüber den Vormonaten wieder zulegen. Rund 87 Prozent im Mai und 95 Prozent im Juni betrug die Bedarfsdeckung Österreichs mit Erneuerbaren. Dies führte dazu, dass in den Kalenderwochen 20, 23 und 24 sogar 100 Prozent des Stromverbrauches (bilanziell) mit Stromerzeugung durch Erneuerbare aus Österreich gedeckt werden konnte.
Extremwetterereignisse wirken sich auf Strombilanz aus. Österreich wird früh im Jahr zum Importland.
Die lang andauernde Hitzeperiode im Sommer 2022 hatte nicht nur die Folge, dass Binnenseen (u.a. Lange Lacke Burgenland) langsam verlanden, sondern wirkte sich auch auf die Stromerzeugung durch Wasserkraft negativ aus. Der Juli 2022 war um 1,1 Grad wärmer als im Durchschnitt. Es fiel viel weniger Niederschlag, damit sank auch die Produktion aus Wasserkraft. Im Juli konnten nur 77 Prozent des Stromverbrauchs in Österreich mit Erneuerbaren gedeckt werden (2021: 96 Prozent). Die Folge war, dass Österreich bereits im August zu einem Strom-Importland wurde: trotz guter Windproduktion von plus 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr konnte die schlechte Performance von minus 38 Prozent Strom aus Wasserkraft nicht kompensiert werden und führte zu einem Monatsimportsaldo von 1.165 GWh. Mit 100,5 GWh erreichten wir am 21. Dezember 2022 ein historisches Tageshoch beim Stromimport und am Tag danach verzeichneten wir einen weiteren Höchstwert: um Mitternacht wurde die historisch höchste 15 Minuten Importleistung von 5.551,6 MW erreicht.
Eingriffe in das Stromnetz an 237 Tagen notwendig
Mit dem Zuwachs und der vermehrten Integration von erneuerbaren Energiequellen sowie der zunehmenden Elektrifizierung steigen die Anforderungen an das Stromnetz stetig. Die aktuellen Netzkapazitäten werden diesen jedoch nicht gerecht. Im vergangenen Jahr musste an 237 Tagen Redispatch-Maßnahmen (gezielte Eingriffe in die Stromerzeugung) ergriffen werden, damit Engpässe im Stromnetz vermieden werden und die sichere Stromversorgung des Landes gewährleistet bleibt. Dabei wird hohen Leitungsbelastungen durch gezielte Eingriffe und den Einsatz von thermischen und hydraulischen Kraftwerken entgegengesteuert.
„Alleine im Februar waren derartige Eingriffe an 27 Tagen (!) notwendig. Das verursacht Kosten, die letztendlich der Stromkunde bezahlen muss. Zu Jahresende lagen die durch RedispatchMaßnahmen ausgelösten Kosten des Jahres für den österreichischen Stromkunden bei rund 94 Millionen Euro. Ein leistungsstarkes Stromnetz mit ausreichenden Kapazitäten würde den Eingriff in den Kraftwerksbetrieb erheblich verringern und die Kosten reduzieren. Der unmittelbare Ausbau der Netzinfrastruktur hat daher oberste Priorität“, betont Thomas Karall, kaufmännischer Vorstand der APG.
Die aus dem Ausland angefragten Redispatch-Maßnahmen brachten Zusatzkosten von 718 Millionen Euro (diese belasten allerdings „nur“ ausländische Stromverbraucher).
Die aktuellen Entwicklungen der Strom- und Energiepreise sowie die geopolitischen Entwicklungen in der Ukraine zeigen, wie wichtig eine rasche und sichere Transformation zu einem nachhaltigen Energiesystem ist. Dazu braucht es eine umgehende Gesamtsystemplanung, entsprechende Kapazitäten in den Bereichen Netze, Speicher, Produktion und eine umfassende Digitalisierung zur Nutzung der Flexibilitäten aller Akteure des Systems. Dies alles muss umgehend erfolgen. Die Beschleunigung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren sind dabei ein zentraler Hebel. Mit ihrem Investitionsprogramm in der Höhe rund 3,5 Milliarden Euro für den Ausbau der Strominfrastruktur sorgt die APG dafür, dass das Übertragungsnetz Österreichs für das Gelingen der Energiewende sowie einer nachhaltigen Versorgungssicherheit für alle Österreicherinnen und Österreicher fit gemacht wird
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