Nachbericht zur Veranstaltung vom 7. Mai 2025
„Verpackung ist mehr als nur Hülle – sie ist ein entscheidender Faktor für Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Wir müssen das Denken ändern: Kreislaufwirtschaft beginnt nicht erst beim Recycling, sondern schon bei der Planung und dem Design.“ Mit diesen Worten eröffnete Monica Rintersbacher, Geschäftsführerin Leitbetriebe Austria, das Leitbetriebe Fokus-Gespräch zur neuen „Packaging and Packaging Waste Regulation“ (PPWR).
Anlass des praxisorientieren Austauschs war es, die Herausforderungen und Chancen der neuen EU-Verordnung zu beleuchten, die einen ganzheitlichen Wandel sowohl von Unternehmen als auch Konsumenten erfordert.
Gastgeber dieser Expertenrunde war Interzero Circular Solutions Österreich, einer der führenden Anbieter von Kreislaufwirtschaftslösungen in Europa. Das Unternehmen unterstützt – von Sammlung und Sortierung über nachhaltiges Verpackungsdesign bis hin zur Entwicklung geschlossener Recyclingkreisläufe. Für Interzero ist eine Welt ohne Abfall die zentrale Vision.
Thomas Glatz, CEO von Interzero Circular Solutions Österreich, begrüßte die zahlreich erschienenen Gäste und hob hervor: „Jeder Tag zählt – unser Ziel muss es sein, Ressourcen im Kreislauf zu halten und den Verbrauch drastisch zu reduzieren.“
Hauptredner Jonathan Scheck, Verpackungsingenieur bei Interzero, eröffnete seinen Vortrag mit einer eindrucksvollen Zahl: Durch Interzeros Maßnahmen zur Ressourcenschonung und Schließung von Stoffkreisläufen konnte der Earth Overshoot Day 2024 (Erdüberlastungstag) um sieben Minuten und zwölf Sekunden nach hinten verschoben werden – ein Beleg dafür, dass auch einzelne Unternehmen signifikante Beiträge leisten können, wenn Nachhaltigkeit Teil ihrer DNA ist.
In seiner Keynote erläuterte Scheck die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) – eine zentrale Maßnahme des European Green Deal mit dem Ziel, Europas Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Die wichtigsten Punkte:
- Recyclingfähigkeit:
- Ab 2030 müssen alle Verpackungen recyclingfähig gestaltet sein.
- Ab 2035 müssen sie auch praktisch in großem Maßstab recycelbar sein.
- Ab 2038 dürfen nur noch Verpackungen der Recyclingklassen A und B in Verkehr gebracht werden.
- Verpflichtender Rezyklateinsatz:
- Mindestmengen an Rezyklaten, z. B. in PET-Flaschen oder Kosmetikverpackungen, sind je nach Verpackungsart vorgeschrieben.
- Harmonisierung der Kennzeichnung:
- Einheitliche EU-weite Kennzeichnungsvorgaben sind vorgesehen (Art. 11 & 12), voraussichtlich ab ca. 2026.
- Einwegverbote und Mehrwegquoten:
- Strengere Regeln für Einwegverpackungen, insbesondere kleine Portionspackungen.
- Verpflichtende Mehrwegquoten für bestimmte Verpackungsarten, z. B. im Transportbereich.
Ein weiterer zentraler Punkt des Vortrags war die Methodik zur Bewertung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen. Interzero verfolgt einen praxisnahen Ansatz, der alle Phasen des Recyclingprozesses – Erfassung, Sortierung und Verwertung – berücksichtigt. Wichtige Kriterien sind: Materialtrennung, Sortierbarkeit (z. B. bei kleinen Formaten), Verwertbarkeit und Verunreinigungen. Das eigens entwickelte Tool „Check for Recycling“ hilft Unternehmen, ihre Verpackungen zu analysieren und deren Recyclingfähigkeit datenbasiert zu dokumentieren.
Scheck betonte, dass es bislang keine einheitliche EU-weite Methodik gibt, was besonders für international tätige Unternehmen eine Herausforderung darstellt.
Auch das Thema Eco-Fee-Modulation wurde angesprochen – ein System, bei dem Lizenzgebühren an die Recyclingfähigkeit der Verpackung angepasst werden. Länder wie Frankreich oder Belgien gewähren Boni für gut recycelbare Verpackungen oder erheben Strafzahlungen bei schlechter Recyclingfähigkeit. In Österreich gibt es derzeit nur ein Malus-System. Der Vergleich europäischer Länder zeigte große Unterschiede, die die Komplexität für internationale Unternehmen erhöhen.
Zum Abschluss seiner Ausführung unterstrich Scheck, dass Kreislaufwirtschaft nur im Zusammenspiel– von Industrie über Gesetzgeber bis zu hin zum Konsumenten – gelingen kann. „Kreislaufwirtschaft ist ein zentraler Schlüssel, um die Abhängigkeit von Ländern zu reduzieren, aus denen wir derzeit Rohstoffe importieren. Wir haben bereits mehrfach erfahren, welche Risiken Abhängigkeit birgt – von plötzlichen Preissprüngen bis hin zu massiven Versorgungsengpässen.“
Weitere Sprecher und vertiefende Inhalte
Mark Joainig (Coca-Cola HBC Austria) berichtete über umfassende Maßnahmen im Verpackungsbereich: Einführung von Mehrwegsystemen, das innovative „Light-Pack-Top“ mit einer Einsparung von 185 Tonnen Folie jährlich, Einsatz von 100 % recyceltem PET sowie Beteiligung an der PET2PET-Recyclinganlage. Die Umstellung auf das neue Pfandsystem stellt logistische Herausforderungen dar, da 400 Produktvarianten neu gekennzeichnet und separat geführt werden mussten. Joaing betonte, dass Österreich ein zukunftsträchtiger Markt für Investitionen in Innovationen sei. Sein Appell: „Wir sind alle zu spät dran – jetzt braucht es Tempo.„
Als Großhändler sprach Martin Gänger (Adamol) über die Auswirkungen hoher regulatorischer Anforderungen auf kleinere Unternehmen, welche existenzielle Auswirkungen haben können. Dazu nannte er ein Beispiel: Für eine Lieferung von 30.000 Kanistern fielen 3.000 Euro an Testkosten an – mit massiven Folgen für die Marge. Er sieht eine dringende Notwendigkeit gemeinsame Lösungen zu finden, um die Wettbewerbsfähigkeit von KMUs zu sichern.
Christoph Schipfer (Brantner Green Solutions) thematisierte ein innovatives Verfahren zur Metallrückgewinnung aus Verbrennungsaschen vor, das jährlich ca. 15.000 Tonnen Metall in den Kreislauf zurückführt. Zusätzlich arbeitet Brantner an der Glasrückgewinnung aus Restmüllaschen, was die Glasrecyclingquote um bis zu 7 % steigern kann. Diese Zahlen finden aktuell jedoch zu wenig Einfluss auf die nationalen Gesamtwerte. Schipfer erwähnte, dass sich die Restmüllzusammensetzung seit 20 Jahren kaum verändert hat, weshalb innovative Technologien als Ergänzung zu klassischer Mülltrennung absolut relevant sind.
Über die Einführung eines Systems von Mehrweg-Boxen für den innerbetrieblichen Warenfluss, die Umstellung auf 85 % Papierverpackung sowie eine eigens entwickelte Lösung zur Palettensicherung mit integrierten Spanngurten berichtete Peter Fuchs (Würth). Diese Maßnahmen führten zu einer massiven Verpackungsreduktion, hoher Kosteneffizienz und positivem Kundenfeedback.
Ralph Hoffer (Österreichische Post) zeigte die praktischen Grenzen nachhaltiger Verpackungen aus logistischer Sicht auf. Viele asiatische Importe sind überverpackt, was nachhaltige Prozesse erschwert. Er betonte die Bemühungen der Post, durch nationale Initiativen nachhaltiger zu agieren und fordert globale Standards für Versandverpackungen: „Vermeidung muss vor Recycling stehen„.
Verantwortung der Konsumenten
Im Rahmen der Diskussion wurde auch die Wichtigkeit der Beteiligung von Konsumenten hervorgehoben.
Mark Joainig betonte, dass Mehrweg-Systeme nur erfolgreich sein können, wenn die Konsumenten bereit sind, sie aktiv zu nutzen.
Martin Gänger sprach vom steigenden Druck der Verbraucher, der Unternehmen zu nachhaltigen Maßnahmen zwingt – oft mit hohen Kosten.
Christoph Schipfer kritisierte, dass falsche Mülltrennung durch Konsumenten die Recyclingraten senkt.
Ralph Hoffer ergänzte, dass Konsumenten offen für einfachere Verpackungslösungen sein müssen, wenn Logistik nachhaltiger werden soll.
Zusammenfassung wichtiger Punkte:
- PPWR: Recyclingfähigkeitspflicht ab 2030, Umsetzung bis 2038 mit stufenweiser Verschärfung.
- Recyclingklassen A–C: klare Kriterien für die Recyclingfähigkeit und stufenweise Marktzulassung.
- Eco-Fee-Modulation: finanzieller Anreiz für recyclingfreundliche Verpackungen, nationale Unterschiede erschweren die Umsetzung.
- Rezyklatpflichten: verbindliche Mindestanteile für bestimmte Kunststoffverpackungen ab 2030.
- Industrievertreter zeigen innovative Ansätze zur Reduktion von Verpackungsmaterial und Optimierung von Kreisläufen.
- Kleine und mittlere Unternehmen brauchen gezielte Unterstützung bei der Umsetzung regulatorischer Vorgaben.
- Konsumenten spielen eine Schlüsselrolle: Nur durch aktives Mitwirken können nachhaltige Systeme langfristig funktionieren.
„Die Zukunft nachhaltiger Verpackung liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft – denn nur im Schulterschluss lässt sich der Wandel wirklich gut verpacken“, schloss Monica Rintersbacher das dynamische Fokus-Gespräch ab.