Josefine Deiser, Obmann-Stellvertreterin des Fachverbands Spedition und Logistik in der Wirtschaftskammer Österreich, im Interview mit Leitbetriebe Austria-Geschäftsführerin Monica Rintersbacher über die Themen Entwicklungen und Weiterbildung in Transport und Logistik.
Frau Deiser ist Gründerin und CEO der Eurotrans Speditionsgesellschaft m.b.H. und außerdem Spartenvertreterin Transport und Verkehr in der Wirtschaftkammer Oberösterreich.
Die Transportbranche hat als Arbeitgeber ein eher negatives Imagebild – obwohl breit gefächerte, tolle Jobangebote existieren. So gibt es etwa über 20 Lehrlingsausbildungen alleine im Speditionsbetrieb. Wie ist denn die Logistik tatsächlich aufgestellt?
Josefine Deiser: Unser Image ist leider unter unserem Wert und das schon seit vielen Jahren. Es gibt große Anstrengungen das aufzubessern und wir setzen gleich bei der Ausbildung an. Wir bieten verschiedene Ausbildungsmodelle, weil wir davon ausgehen, dass wir die Jugend dort abholen und damit unser Image verbessern können. Der nächste Schritt ist die Erwachsenenbildung. Durch diese Bestrebungen wollen wir auch Menschen, die sich vielleicht umorientieren möchten, doch für die Logistik gewinnen.
Und es liegt auf der Hand, dass man in unserer Branche Karriere machen kann. Wir sehen das an Kollegen, die sich vom Lehrling bis hin zum Geschäftsführer von großen Konzernen und Unternehmen hinaufgearbeitet haben oder auch ihre eigenen Betriebe hochziehen. Die Möglichkeit ist da. Natürlich bedarf es Anstrengungen, aber das ist überall so. Für uns ist die Aus- und Weiterbildung ein Schwerpunkt, den wir stark vorantreiben und verfolgen.
Was wird denn der Branche Schlechtes nachgesagt?
Da braucht man nur die täglichen Nachrichten hören: Wir sind die größten Verursacher des CO2-Ausstoßes, wir verursachen die großen Staus und wir sind großteils für Unfälle verantwortlich. Es wird aber wenig darüber gesprochen, wie in Zeiten wie diesen die Logistik aufrechterhalten. Im März und April, in den ersten sieben Wochen des Lockdowns, wurde positiv über uns gesprochen, weil wir für die Versorgung gesorgt haben, weil alles in den Regalen schnell wieder nachgefüllt war. Kaum war alles wieder offen, hat niemand mehr über unsere Arbeit gesprochen.
Sie setzen sich ja auch schon seit Jahren für die Entwicklung der Jugend ein, für eine hochwertige Qualifikation, die natürlich dem Unternehmen auch wieder zugutekommt. Was hat sich hier die letzten Jahre getan?
Wir haben durch gemeinsame Auftritte in der Öffentlichkeit, die „Jugend und Beruf“-Messe in Wels oder auch tolle Programme in den Bezirken, immer große Anstrengungen unternommen und dadurch ein gewisses Wir-Gefühl erarbeitet. Dadurch können wir als Branche einheitlich sprechen und auftreten und ich denke das ist ein gutes Zeichen.
Mit welchen Maßnahmen gewinnen Sie die Jugend für die Branche?
Wir binden junge Menschen, die bereits in der Ausbildung sind, ein und geben ihnen die Möglichkeit etwa an einem Messestand mit den jugendlichen Besuchern über ihre Ausbildung und ihre Berufswahl der Logistik zu reden und über ihre persönlichen Eindrücke und Vorteile zu erzählen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das ein guter Weg ist.
Wir gehen auch in Schulen, stellen uns vor, haben sehr gute Demo-Filme und stellen Verbindungen zwischen Schülern und Betrieben her. Wir bieten Praktika in den Sommerferien an, natürlich mit der Absicht die Schüler für unsere Branche zu begeistern und für eine Ausbildung zu gewinnen.
Wie sieht es derzeit mit der Beschäftigung in der Branche aus? Gibt es einen Bedarf an Lehrlingen?
Wir haben ganz aktuelle Zahlen aus Oberösterreich, die die Tendenz bestätigen, dass die Anzahl der Lehrlinge leider zurückgeht, da Unternehmern in diesen unruhigen Zeiten verunsichert sind. Viele Kleinstunternehmen mit fünf bis zehn Mitarbeitern überlegen sich natürlich, ob sie heuer einen Lehrling nehmen können, weil sie nicht einmal wissen, wie sie nächsten drei Jahre überstehen. Als Interessenvertretung unternehmen wir größte Anstrengungen, die Unternehmen gerade in diesen Zeiten zur Lehrlingsausbildung zu motivieren, da wir für eine stabile Zukunft Lehrlinge brauchen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass sich das Berufsbild stetig verändert. Die Digitalisierung beginnt bei der Ausbildung und verändert die Arbeitsplätze.
Gibt es in der Logistik Remote Work?
Ja, das lässt sich in gewissen Bereichen vereinbaren, das ist überhaupt kein Thema. Es ist mit Kosten verbunden diese Arbeitsplätze einzurichten, aber es gibt den Mitarbeitern Sicherheit. Ich hoffe auch sehr stark, dass sich das weiterentwickelt und wir die Pandemie zur Umstellung nützen.
Welche Reformen würden Sie als Unternehmerin noch brauchen, um flexible Arbeitsmodelle zu ermöglichen?
Wir sprechen immer von Vereinbarkeit von Familie und Beruf – speziell bei den Frauen, aber da fehlt mir die Unterstützung. Gerade jetzt zeigt sich, wie schwierig es ist flexible Arbeitszeiten zu ermöglichen, wenn die sichere Kinderbetreuung nicht gelöst ist. Auch Frauen in Führungspositionen sind von diesen Möglichkeiten abhängig. Ohne ein Umfeld mit etwas Großeltern, die unterstützen, müssen sich viele Frauen zwischen Beruf und Familie entscheiden.
Sie sind Unternehmerin, haben Familie und haben das auch alles sehr gut gemeistert. Kann Teilzeit etwa in Vorstandspositionen ermöglicht werden?
Ich stehe dem Ganzen positiv gegenüber. Wir Frauen sind multitaskingfähig, wir können das, wir praktizieren das. Wieso soll es nicht auch in höheren Positionen möglich sein, das in der Teilzeit zu schaffen? Ich bin mir ganz sicher, dass es geht. Es braucht nur neue Arbeits- und Aufteilungskonzepte. In großen Versicherungen oder Banken beginnt das auch schon. Funktionieren kann es nur mit der Unterstützung des Arbeitgebers und der Unterstützung des Landes in Form von Betreuungsstellen. Es muss ein gewisses Umdenken stattfinden. Es muss erkannt werden, dass ich auch arbeite, wenn ich nicht auf meinem Arbeitsplatz physisch anwesend bin. Mit den modernen Werkzeugen kann ich das auch von unterwegs oder von zu Hause aus erledigen.
Zu Beginn des ersten Lockdowns habe ich mit Leitbetriebe Austria eine Initiative gestartet, um „Made in Austria“ neu zu denken. Diese Initiative hat die drei Schwerpunkte Wertschöpfung im Land, Versorgungssicherheit und Mitarbeiterqualifikation. Wie sehen Sie aus der Sicht der Logistik die Themen Wertschöpfung und Versorgungssicherheit?
Ich fördere und bevorzuge Regionalität. Österreich ist natürlich auch ein Exportland und wir müssen unsere Produkte auch weltweit verkaufen. Aber ich denke, wir könnten sie auch im Land sehr gut vertreiben. Man müsste das Bewusstsein in der Bevölkerung schaffen – damit sind nicht nur die Lebensmittel, sondern auch Industrieprodukte gemeint. Dennoch ist vermehrt der günstigere Preis aus dem Ausland auschlaggebend und verlockend.
Welche Rolle spielt dabei Europa für Sie?
Da bin ich etwas zwiegespalten, weil mir hier die Initiative der Europäischen Gemeinschaft fehlt. Ich denke die EU müsste dabei helfen, unser Know-how besser zu vermarkten. Aber da fehlt mir teilweise der Einsatz. Wir kleines Österreich alleine werden es nicht stemmen, dass wir uns am globalen Markt profilieren – aber innerhalb der EU denke ich, wäre es möglich.
Sind Sie der Meinung, dass man heimische Produkte etwa durch die Besteuerung unterstützen sollte?
Das wäre für mich wirklich ein guter Weg. Man sollte viel mehr darauf hinweisen, dass die Qualität entscheidend ist, auch wenn sie mehr kostet. Der höhere Preis bei uns ergibt sich logischerweise auch durch den hohen Beschäftigungsgrad qualifizierter Leute. Unsere Arbeiter und Angestellten sind durch strenge Bestimmungen in ihrem Arbeitsverhältnis geschützt.
Zum Thema der Mitarbeiterqualifikation – welche Modelle der Förderung gibt es hier?
Da darf ich die Duale Akademie ansprechen. Wir möchten Studienabbrecher ansprechen, da wir wissen, dass die „dropout Quote“ bei uns hier an der Johannes Kepler Universität knapp über 50 Prozent liegt. Die zweite Schiene in diesem Ausbildungsmodell sind die AHS-Maturanten, die sehr oft nicht wissen, was sie nach ihrer Matura machen sollen. Genau diese möchten wir abholen. Das Ausbildungsmodell ermöglicht es in verkürzter Lehrzeit von zwei Jahren einen Beruf zu erlernen.
Nach der Ausbildung ist man Speditionskaufmann bzw. Speditionskauffrau in der verkürzten Lehrzeit. Man bekommt keine Lehrlingsentschädigung, sondern verdient Geld wie ein Ausgelernter im 1. Jahr. Das geht natürlich nur in Verbindung mit dem Unterstützungsmodell, das gemeinsam mit dem AMS geschaffen wurde. Dieses übernimmt mittels einer Förderung die Differenz.
Wir legen in der Ausbildung auch großen Wert auf Internationalität. Im Zuge des Trainee-Programmes findet ein Auslandsaufenthalt in einem international tätigen Konzern statt. Ich denke, das ist eine ganz gute Richtung.
Wie sehen Sie das allgemein, haben wir eine Möglichkeit, Langzeitarbeitslose zu beschäftigen bzw. einzubinden?
Natürlich besteht die Chance, sie muss aber von beiden Seiten angenommen und ergriffen werden. Wir sind sicherlich bereit, Menschen, die schon länger auf der Arbeitssuche sind und nicht im Arbeitsprozess stehen, zu unterstützen und zu fördern. Voraussetzung dafür ist, dass der Interessent auch wirklich will. Wir haben uns in der Branche diesbezüglich schon vorbereitet. Wir haben einen Kollektivvertrag, der bereits darauf setzt, dass wir kein Senioritätsprinzip haben. Das bedeutet, dass wer schon lange im Arbeitsleben gestanden ist, nicht direkt bei uns mit einem hohen Gehalt eingestellt wird. Sonst könnten wir diese Menschen nicht in den Arbeitsprozess eingliedern. Es geht bei uns nach Wissen und Können. Auch Quereinsteiger, wie zum Beispiel aus der IT, die schon immer mit der Logistik geliebäugelt haben, sind für uns, was die Digitalisierung betrifft, eine Bereicherung.
Was sind die nächsten Projekte im Digitalisierungsbereich?
Es geht hier nicht nur um Aus- und Weiterbildung und um Mitarbeiterbeschäftigung, es geht um auch um die Arbeitsprozesse, die wir digitalisieren, um die Schaffung von Schnittstellen und die Schaffung von Plattformen. Natürlich immer unter den Voraussetzungen neutraler Plattformen. Unternehmer versuchen ihre Leerfahrten zu minimieren und gemeinsam einen gewissen Kundenbereich abzudecken. Diese Dinge fordern noch etwas Arbeit, da man noch nicht so viel Vertrauen hat, Daten zu teilen und sehr vorsichtig ist, diese dem Konkurrenten zu verraten. Aber einiges ist schon möglich, da die Neutralisierung doch schon sehr weit fortgeschritten ist.
Hier passieren viele positive Dinge, die das Bild der Branche verändern können?
Mir geht es vor allem um die Wertigkeit und den Stellenwert, den wir in der Gesellschaft als Branche haben und dass wir mehr Anerkennung erfahren dürfen, vor allem auch von Seiten der Politik. Wir leisten so viel tagtäglich und ich glaube, das gehört einmal auf die Bühne. Mit mehr Akzeptanz in der Bevölkerung hätten wir sicherlich weniger Probleme Kraftfahrer zu finden. Die Vorurteile über die gesamte Branche (schlechte Bezahlung, stundenlanger Einsatz ohne Ruhepause, …) hält derzeit viele Menschen davon ab, diesen Beruf zu ergreifen. Dieses Bild wollen wir ändern.