Interview: Familien und Unternehmen brauchen Strukturen

Mag. Monica Rintersbacher, Geschäftsführerin Leitbetriebe Austria
im Gespräch mit
Family Business Experte Dr. Christian Fuchs, MBA

Familienunternehmen sind für unsere Volkswirtschaft von enormer Bedeutung und annähernd neunzig Prozent aller Unternehmen werden von starken und innovativen Familien geprägt. In einem Familienunternehmen liegen die Geschäftsanteile mehrheitlich in der Hand einer oder mehrerer Familien. Daraus ergibt sich ein dominanter Einfluss der Familie auf das Unternehmen verbunden mit der Absicht, das Unternehmen auch langfristig in Familienhand zu halten. Es stellt sich somit die Frage, was sind denn nun die Gründe warum manche Familienunternehmen so erfolgreich sind und über Generationen hinweg ihren Wert steigern?

Monica Rintersbacher: Namhafte Studien belegen, dass eine optimale Ausrichtung der Strukturen in der Firmenführung als auch in der Familie als fundamentale Basis des Erfolgs angesehen werden können. Was braucht es, um die wesentlichen Parameter eines Erfolgsmodells generationsübergreifend erfüllen zu können?

Christian Fuchs: Die Vorteile von Familienunternehmen sind mannigfach. Flache Hierarchien, kurze Entscheidungswege, personelle Kontinuität, ausgeprägtes Kosten-Nutzen-Denken, Verlässlichkeit gegenüber Kunden und Geschäftspartnern, starke Identifikation mit dem Unternehmen nach innen wie nach außen, ein besonderes Gefühl der Verantwortung gegenüber Belegschaft und Region sowie ein spezielles „Gespür“ für Marktchancen sind die prägnanten Eigenschaften. Zusätzlich ist wichtig festzuhalten, dass erfolgreiche Unternehmen bereits zeitgerecht ihre Führungs-, Kontroll- und Familienstrukturen an den für sie passenden Situationen und an der Best Practice optimal anpassen. Eine Family Business Governance ist die Basis für eine solide Ausgestaltung der Business- und der Family-Strukturen. Bei der Business Governance wird ein professioneller Rahmen für Führung und Kontrolle geschaffen und bei der Family Governance wird der Zusammenhalt in der Familie durch das Etablieren von fairen Prozessen sichergestellt.

Monica Rintersbacher: Die Notwendigkeit einer Corporate Governance ist unbestritten. Warum muss es unbedingt eine eigenständige Family Business Governance sein? Sind die Unterschiede derart gravierend?

Christian Fuchs: Familienunternehmen unterscheiden sich maßgeblich von Publikumsgesellschaften in ganz wichtigen Komponenten. Der entscheidende Unterschied in der ökonomischen Zielsetzung besteht im Zeithorizont der Zielverwirklichung. Langfristigkeit basierend auf Stabilität, Rentabilität und Unabhängigkeit. Familienunternehmen verfolgen, meist eingebunden in einem Wertekorsett, eine durch die Familientradition gefestigte und persönliche Mission. Publikumsgesellschaften besitzen nur den Wirkungskreis des Unternehmens und die Gesellschafter werden durch den Gesellschaftsvertrag in ihren Rechten und Pflichten eingehend erfasst.

Monica Rintersbacher: Wie kann man sich nun die funktionelle Ausrichtung der Business- und der Family Governance vorstellen?

Christian Fuchs: Ganz einfach dargestellt setzt sich die Business Governance aus der Geschäftsführung und dem Aufsichstsgremium zusammen denen die Instrumente des Risiko- und Compliance Management, das interne Kontrollsystem und interne Revision beispielhaft zur Verfügung stehen. Die Hauptaufgabe liegt ganz eindeutig in der Sicherstellung der ökonomisch prosperierenden Entwicklung des Familienunternehmens.

Bei der Family Governance kommen dem Familienrat beziehungsweise bei größenmäßig überschaubareren Familien dem Familienmanager als auch dem Gesellschafterausschuß und, wenn es benötigt wird, dem Family Office funktionelle Bedeutung zu. Die zur Verfügung stehenden Instrumente sind das Konfliktmanagement, die Familienaktivitäten, die Weiterbildung der Familienmitglieder als auch das Engagement in den philanthropischen Bereichen. Durch die optimale Ausgestaltung der Family Governance an der Best Practice und an der individuellen Situation des Unternehmens wird der emotionale als auch der ökonomische Werte des Familienunternehmens nachhaltig gesteigert. Family und Business Governance finden ihre Erfüllung in der individuellen Familienverfassung.

Monica Rintersbacher: Auf den Punkt gebracht. Was ist eine Familienverfassung?

Christian Fuchs: Die Familienverfassung ist eine von allen Mitgliedern einer Unternehmerfamilie gemeinsam ausgearbeitete und im Konsens beschlossene schriftliche Zusammenfassung von Absichten, Zielen, Werten, Regeln und Verhaltensnormen. Sie erfasst unter anderem die Rolle der Familie im Unternehmen, deren Rechte und Pflichten sowie Verhaltensregeln für den Umgang mit Familien- und Unternehmensangelegenheiten. In den USA, Deutschland und auch in der Schweiz gehört die Familienverfassung zur Grundausstattung von Familienbetrieben. Namhafte Studien belegen auch ganz eindeutig. Unternehmen mit einer Familienverfassung sind in der Familie harmonischer und wirtschaftlich erfolgreicher!

Vielen Dank für das Gespräch!

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