Götz Pelikan, Managing Director der Allnex Austria GmbH im Gespräch mit Leitbetriebe Austria-Geschäftsführerin Monica Rintersbacher über den Arbeitskräftemangel als langfristige Herausforderung für Wirtschaft und Politik, die Rolle der allnex in der Region als Arbeitgeber und nachhaltige Energiegewinnung.
Monica Rintersbacher: Heute sind wir zu Gast bei der Allnex Austria GmbH und wir möchten mit Ihnen, Herr DI Pelikan über die größten Herausforderungen sprechen, vor denen die Allnex Austria als heimischer Leitbetrieb steht. Zunächst aber bitte ich Sie um einen kurzen Überblick für unsere LeserInnen, was die Allnex Austria GmbH macht.
Götz Pelikan: allnex ist ein global tätiges Unternehmen und führend in der Herstellung von Kunstharzen und Additiven für Beschichtungen, Farben und Lacke für eine Vielzahl von Anwendungsbereichen. Das Unternehmen beschäftigt weltweit ca. 4.000 Mitarbeiter, verteilt auf 33 Produktionswerke, 23 Forschungs- und Technologiezentren und weitere Standorte in Europa, Asien, Ozeanien, Nord- und Südamerika. Ein Teil dieses Unternehmens ist die Allnex Austria GmbH, die aus dem Produktionswerk in Werndorf und dem Forschungs- und Entwicklungszentrum in Graz besteht. Im österreichischen Werk in Werndorf werden jährlich ca. 80.000 Tonnen Kunstharze erzeugt, ca. 85 % davon sind bereits wasserlöslich.
Monica Rintersbacher: Arbeiten Sie im Schichtbetrieb?
Götz Pelikan: Ja, wir haben 5 Schichten – 365 Tage 24 Stunden täglich wird hier gearbeitet. Unser Werk steht also – bis auf Wartungsstillstände – quasi nie still.
Monica Rintersbacher: Ein Betrieb der also rund um die Uhr produziert. Eine große Herausforderung ist bestimmt, das ganze Jahr ohne Produktionsausfälle durchzukommen. Viele Unternehmen kämpfen händeringend um Arbeitskräfte, um ihre Aufträge fristgerecht abzuwickeln zu können und um Ausfälle zu verhindern. Wie geht es ihnen bei allnex damit?
Götz Pelikan: Wie für viele andere Unternehmen auch, stellt der Mangel an Arbeitskräften und Lehrlingen auch für uns eine große Herausforderung dar. Beachten muss man dabei denke ich, dass diese Herausforderung keine kurz- oder mittelfristige ist, wie die derzeitige geopolitische Krise oder die hohen Energiepreise, sondern eine langfristige, für die es auch Lösungen braucht, die langfristig greifen.
Monica Rintersbacher: Derzeit sind bei Allnex 11 Lehrstellen offen – worin liegt die Schwierigkeit Lehrlinge zu finden?
Götz Pelikan: Zum einen liegt es schlicht an der Anzahl der Jugendlichen, die in den Jahrgängen vorhanden sind und die sich für eine Lehre entscheiden. Zum anderen liegt es in unserem Fall auch daran, dass der Lehrberuf Chemieverfahrenstechnik nicht so bekannt und deswegen auch das Interesse nicht so groß ist, wie wir es uns wünschen würden – bei den Chemielaboranten ist die Situation etwas besser.
Außerdem braucht es gute Vorkenntnisse, vor allem in den Bereichen Naturwissenschaft und Mathematik und die bringen leider nicht immer alle Bewerber mit. Fehlen diese Vorkenntnisse, ist die Gefahr groß, dass die Lehrlinge während der Lehrzeit abbrechen, und damit ist niemanden geholfen.
Monica Rintersbacher: Sie suchen also wirklich Personen, bei denen Sie wissen, dass sie das Zeug zu einer solchen Ausbildung haben?
Götz Pelikan: Genau, denn beide Lehrausbildungen sind anspruchsvoll. Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass es niemandem etwas nützt, beim Auswahlverfahren zu große Kompromisse zu machen – weder dem Lehrling, noch dem Betrieb. Das Sprachliche ist in aller Regel nicht das Problem, denn auch junge Menschen z.B. mit Migrationshintergrund, welche sich für eine der beiden Lehrberufe interessieren, sprechen in der Regel recht gut Deutsch. Es sind wie gesagt eher die Vorkenntnisse in den naturwissenschaftlichen Fächern, die das Problem darstellen.
Monica Rintersbacher: Wenn Sie in den Nachrichten hören, jetzt seien viele Probleme gelöst, weil wir durch die Flucht aus der Ukraine viele Arbeitskräfte dazu bekommen haben, was fällt ihnen dazu ein? Wie können wir das nutzen, oder geht das eher nicht?
Götz Pelikan: Bei den Arbeitskräften aus der Ukraine handelt es sich größtenteils um Frauen. Die Schwierigkeit, die wir dabei haben ist, dass wir derzeit aufgrund der physischen Belastung noch keine Frauen in der Produktion beschäftigen können.
Wir arbeiten jedoch intensiv daran, mittelfristig im Schichtbetrieb die körperliche Belastung zu reduzieren, um einerseits zukünftig auch Frauen in der Produktion beschäftigen zu können, aber auch um die Belastung für unsere männlichen Mitarbeiter zu reduzieren.
Leider ist das in einem Unternehmen wie unserem mit Schichtbetrieb und Batchfertigung nicht so einfach. Bei einer Serienfertigung hat man mehr wiederkehrende Schritte, die man entweder automatisieren oder für diese Schritte ergonomische Hilfen konstruieren kann. Bei einer Batchfertigung wie bei uns, fallen sehr viele unterschiedliche Tätigkeiten und Arbeitsschritte direkt nacheinander oder sogar parallel an – da ist das Finden von geeigneten ergonomischen Hilfen schwieriger. Insofern müssen wir uns auf die Bereiche konzentrieren, wo wir möglichst repetitive Tätigkeiten haben, um dort technische Hilfen zu finden, die dann an unterschiedlichen Reaktoren eingesetzt werden können.
Monica Rintersbacher: Weil Sie planen auch Frauen einzustellen, da ist ja oft auch das Familienthema ein Hindernis. Martha Schultz setzt sich ja dafür ein, vor allem am Land, dass Kinder gut versorgt sind, also die Kinderbetreuung ausgebaut wird. Bei Schichtdienst stellt sich ja die Frage, wo gebe ich die Kinder ab – ist das etwas, dass sie mitbedenken wenn sie planen mehr Frauen einzustellen? Oder ist im Vordergrund tatsächlich die körperliche Machbarkeit?
Götz Pelikan: Im Moment sind wir noch stärker mit der Frage beschäftigt, was wir an Vorbereitungen treffen müssen, um überhaupt Frauen bei dieser Art von Arbeit in der Produktion einsetzen zu dürfen.
Trotzdem ist Kinderbetreuung natürlich ein wichtiges Thema, das ja auch nicht nur mit dem beruflichen Einsatz von Frauen in Verbindung steht. Wir sehen z.B. bei den jungen Vätern klar die Entwicklung, dass mehr Mitarbeiter in Väterkarenz gehen. Das ist gut und ein wichtiger und richtiger Schritt für die Gleichberechtigung. Kinderbetreuung ist also – unabhängig von der Beschäftigung von Frauen bei uns im Schichtbetrieb – ein wichtiger Aspekt.
Monica Rintersbacher: Lassen Sie uns noch ein, zwei andere Bereiche beleuchten. Wir setzen ja mit unserer „Made in Austria neu denken“ – Initiative, die wir auch speziell aufgrund von Corona gestartet haben, verstärkt auf Versorgungssicherheit, Regionalität und das Angebot von guten Österreichische Arbeitsplätzen. Das decken sie ja alles gut ab, sie sind hier ja natürlich im ländlichen Bereich aber nahe einer Stadt. Welche Bedeutung gibt allnex dem Regionalitätsthema?
Götz Pelikan: Wir sind Teil eines internationalen Konzerns und arbeiten auch international was unsere Exporte angeht. Wir sind also bei unserer Art von Produkten nicht ausschließlich auf die Steiermark fokussiert – dazu ist der Bedarf in der Region zu gering.
Ca. 15 Prozent unserer Produkte verbleiben im Inland, weitere ca. 70 Prozent gehen in die EU, der Rest in andere Regionen. Also wenn ich die Bezeichnung „regional“ auf die Region Europa beziehe, sind wir sehr stark in der Region Europa, aber auch in Österreich verankert.
Für die Steiermark sind wir einer der wenigen Arbeitgeber im Bereich der Chemie. Deswegen haben wir z.B. intensiven Kontakt zur TU Graz. Insbesondere mit der chemischen Fakultät arbeiten wir eng zusammen, aber auch mit anderen Bildungsträgern, wie z.B. der Chemieakademie.
Mit ca. 350 Arbeitsplätzen an beiden Standorten haben wir aber natürlich auch eine gewisse Bedeutung für den Arbeitsmarkt in der Region. Die Belegschaft kommt aus einem relativ großen Einzugsgebiet, das nicht nur von Graz gespeist wird. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen auch aus der Gegend Werndorf, Wundschuh, Leibnitz etc. also auch aus der Südsteiermark und Südoststeiermark.
Monica Rintersbacher: Stichwort Infrastruktur in der Region? Sind Sie da zufrieden?
Götz Pelikan: Im Bereich derInternetanbindung und der zur Verfügung stehenden Bandbreite sind wir gut aufgestellt und das Angebot der Infrastruktur erfüllt unsere Erwartungen.
Schwieriger wird das Thema bei den steigenden Anforderungen an die Stromversorgung in der Zukunft, wenn – wie von der Politik gewünscht – insbesondere bei der Mobilität auf Strom umgestellt werden soll.
Als Beispiel: Wir haben im Rahmen des F&E-Neubaus zusätzliche Parkplätze geschaffen, die heutzutage natürlich mit E-Ladestationen versehen werden. Je nach Art der Ladestationen ist die Anschlussleistung bzw. der Stromverbrauch nicht unerheblich – hier sieht man bereits, dass man recht schnell an die Grenzen der Infrastruktur stößt. Soll also zukünftig die Mobilität stärker auf Elektrizität basieren, sind erhebliche Investitionen in eine an die Anforderungen angepasste Infrastruktur zu tätigen.
Monica Rintersbacher: Nachhaltigkeit ist ebenfalls wichtiger Themenschwerpunkt für Leitbetriebe wie die Allnex Austria GmbH. Setzen Sie auf erneuerbare Energie oder ist Eigenproduktion aktuell? Können Sie Energie aus Abwärme oder Abwasser produzieren?
Götz Pelikan: Wir nutzen solche Möglichkeiten bereits seit langer Zeit, vor allem im Bereich der chemischen Exothermie, um das Reaktionsgut aufzuwärmen. Wir haben aber auch eine Vielzahl von Wärmetauschern installiert, um Wärme rückgewinnen zu können und eine Vielzahl anderer Möglichkeiten, um den Energieverbrauch zu senken und Energie effizient einzusetzen. Zudem stammt unser gesamter Strom aus Wasserkraft.
Hier können und wollen wir aber noch weiter optimieren.
Bereits 2020 wollten wir eine Photovoltaikanlage installieren, bei der wir 98 Prozent der gewonnen Energie für uns selbst hätten verwenden können. Leider hat es damals Verzögerungen durch Unklarheit bei den Förderungen gegeben. Wir sind jetzt wieder an diesem Projekt dran und hoffen, dass wir mit mehr Klarheit bzgl. der Unterstützung durch Land und Bund das Projekt diesmal umsetzen können.
Nachhaltigkeit erstreckt sich aber nicht nur auf den Energieverbrauch, sondern auch auf die Produkte selbst. Hier ist allnex ein Vorreiter: Bei uns in der Steiermark wurden bereits Anfang der 1950er Jahre die wasserlöslichen Lacke erfunden – eine bahnbrechende Erfindung, die Lösungsmittel aus fossilen Rohstoffen durch Wasser ersetzt hat. Damit wurde nicht nur der Verbrauch an fossilen Rohstoffen drastisch reduziert, sondern auch erhebliche Fortschritte im Bereich Nachhaltigkeit, Umwelt- und Arbeitsschutz erreicht. Das Thema Nachhaltigkeit hat bei allnex also seit je her einen hohen Stellenwert.
Monica Rintersbacher: Zuletzt noch ein Blick in die Wirtschaftspolitik. Wenn Sie sich spontan etwas wünschen könnten von der Politik, was würde Ihnen denn da einfallen?
Götz Pelikan: Mittel- und langfristig ist der Arbeits- und Fachkräftemangel das wesentliche Thema. Hier müssen wir sowohl bei der Ausbildung von Schülerinnen und Schülern und der Stärkung der Lehre ansetzen, als auch durch zielgerichtete Zuwanderung den Fachkräftemangel bekämpfen.
Kurzfristig ist die Sicherstellung der Versorgung mit bezahlbarer Energie eine kritische Aufgabe für die Politik.
Monica Rintersbacher: Herr Pelikan, ich danke Ihnen für das interessante Gespräch.
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