Interview: Paul Leitenmüller – „Ein Netzwerk aufzubauen und zu nützen ist Arbeit“

Paul Leitenmüller, Geschäftsführer von Opinion Leaders Network, über den Wandel des Networkings, die Veränderung der Kommunikation und die globale Aufgabe Nachhaltigkeit und Verteilung respektvoll zu lösen.

Monica Rintersbacher: Letztes Jahr haben wir 30 Jahre Leitbetriebe Austria gefeiert und für mich ist es heuer ein Jubiläum – zehn Jahre Monica Rintersbacher bei Leitbetriebe Austria. Ich bin für die sehr aktiven Leitbetriebe und für die vielen Partnerschaften sehr dankbar und deshalb ist es mir eine Freude mit Paul Leitenmüller, dem Geschäftsführer von Leadersnet, zu sprechen. Du warst von der ersten Stunde an einer meiner starken Partner bei Leitbetriebe Austria und immer bereitwillig und unterstützend für mich da – vielen Dank dafür. Das Networking stand bei uns damals schon recht früh im Vordergrund, wie hat sich in Ihren Augen das Networking in den letzten zehn Jahren entwickelt?

Paul Leitenmüller: Danke! In den letzten 10 Jahren haben wir in Bezug auf Freunderlwirtschaft versus Interessensvertretung einen großen Wandel erlebt. Früher hat man sich getroffen und die Dinge unter der Hand ausgemacht, aktuell sieht das jedoch anders aus, da sich die Rahmenbedingungen geändert haben und es überall Compliance-Vorschriften gibt.

Früher war die Grenze zwischen Privatleben und wirtschaftlichem Networken sehr verschwommen, vor allem wer dafür zahlt, wenn man sich zum Beispiel zu Ausflügen verabredet oder gemeinsam eine Veranstaltung besucht. Das ist heutzutage klarer getrennt. Klar ist, dass sich Leute treffen wollen und dabei Geschäfte entstehen – es entstehen Geschäftsbeziehungen in der Freizeit und das ist ein wichtiger Aspekt, der berücksichtigt werden soll. Denn wenn sich Leute über das Maß von 40 Stunden in der Woche hinaus treffen, ist es auch legitim, dass man in dieser Zeit die Kontakte, die man schließt auch wirtschaftlich nutzen kann. Meines Erachtens ist diese Zeit, wenn man zum Beispiel am Abend bei Veranstaltungen ist und Kontakte pflegt, mehr oder weniger auch als Arbeitszeit zu bewerten. Dies wird heute nicht mehr so gesehen und damit kann ich gut leben. Es ist durchaus okay, dass man sich die Auslagen selbst bezahlt, vor allem im Angestelltenverhältnis, aber der Wert, der sich aus diesen zusätzlichen Geschäften ergibt, muss bleiben. Es darf nicht sein, dass wir networken, es aber verboten ist oder mit dem Freunderlwirtschaften gleichgestellt wird. Ein Netzwerk aufzubauen und zu nützen, ist Arbeit.

In den letzten zehn Jahren haben sich auch die Leitbetriebe Austria als Plattform verändert. Wir sind mit Leadersnet eine Mischung aus Medium und Agentur. Wir haben uns gegenseitig nach vorne gepusht. Wir haben uns gegenseitig eine Bühne geboten, wo auch das Menschliche berücksichtigt wurde und man hinter die Kulissen blicken konnte. Aber in erster Linie sage ich: Wer fleißig ist und in seiner Freizeit zusätzlich networkt, der darf auch den wirtschaftlichen Nutzen davon haben. Networken ist mehr Arbeit als Freunderlwirtschaft.

Monica Rintersbacher: Networken ist für mich nicht nur, dass wir Geschäfte abschließen, sondern, dass wir auch das österreichische Wirtschaftsumfeld besser kennenlernen und die Möglichkeit haben uns auszutauschen. In den 90er Jahren wurde behauptet, dass dieses Networken nicht mehr wichtig ist, da sich alles auf Mails verlagern wird und im Zeitalter der Digitalisierung sich sowieso alles verändert. Wie siehst du das?

Paul Leitenmüller: Ich glaube, um eine wirtschaftliche positive Entwicklung für den Standort Österreich zu entwickeln, bedarf es dringend die Sicht auf verschiedene Standpunkte. Die Zeiten, in denen die Menschen unreflektiert glauben, was in der Zeitung gedruckt ist, wäre die Wahrheit, die sind vorbei. Der Mensch will sich über alle Kanäle informieren, die Aussagen gegenchecken und sich eine eigene Meinung bilden, dabei muss man aber aktiv sein und wirklich lesen. Es ist ihnen wichtig, die Informationen direkt zu besprechen und zu kommentieren.

Früher hat eine Person informiert, wir haben es konsumiert und unsere eigene Meinung im Kopf gebildet. Heute informieren uns mehrere Quellen und wir wollen von überall eine schnelle Rückmeldung erhalten und als mündiger Bürger wahrgenommen werden. Die Kommunikation hat sich dadurch von einer Richtung in eine bipolare Kommunikation gewandelt. Der große Nachteil der Digitalisierung ist, dass wir viel mehr Zeit verwenden müssen, um uns ein eigenes Bild machen zu können. Ist das, was ich lese, nur für mich geschrieben oder eine allgemeine Meinung? Inwieweit muss ich mehrere Quellen lesen um meine Meinung zu bilden?

Dieses System hat sich sicherlich stark verändert und bietet den großen Vorteil, dass man mit dem, was man sagt, auch wahrgenommen werden kann. Es wandelt sich vom Konsumieren hin zum Mitsprechen können. Das hat die Medienlandschaft revolutioniert. Heutzutage ist es ganz normal, dass ich gehört werde, einen Kommentar abgeben kann und in relativ in kurzer Zeit Antworten zu meiner Meinung bekomme. Diesem Thema sind wir mit Leadersnet ebenso wie die Leitbetriebe Austria sehr gerecht geworden.

Diejenigen, die in dem alten System stecken bleiben und denken: „Wir bringen euch die Botschaften ins Haus und ihr dürft euch die Nachrichten dann anschauen, wenn wir sie senden“, die haben das Problem, nicht mehr zeitgemäß zu sein. Die heutige Jugend konsumiert Nachrichten, dann wenn sie die News sehen wollen und darauf reagieren können. Daraus werden sich komplett neue Berufsformen ergeben, Content wird dann produziert, wenn er anfällt und nicht dann, wenn ich meine acht Stunden Arbeitszeit habe. Durch diese Veränderung wird auch die Lebensqualität der Menschen verbessert.

Kommunikation ist die Basis für ein schönes Leben, beziehungsweise dass wir uns ein Leben so richten, wie wir das gerne hätten. Aus meiner Sicht stelle ich deshalb fest, nur wer kommuniziert, dem kann geholfen werden. Wenn jemand nicht sagt was er gerne hätte, der kann alleine im Wald sein Glück finden. Wollen wir miteinander kommunizieren und ein friedvolles und glückliches Leben haben, dann muss jeder sagen, was er sich wünscht. Ausschlaggebend ist dann die Basis für den größten gemeinsamen Nenner zu finden, bzw. ihn auch leben zu können.

Diese eklatante Veränderung in den letzten zehn Jahren spiegelt sich in der Struktur der Leitbetriebe Austria wider. Sobald ein automatischer Zulauf generiert wird und die Leute mitsprechen und sich wahrgenommen fühlen wollen, anstatt nur Informationen zu erhalten, ist das der Punkt des neuen Kommunizierens, den die Leitbetriebe bereits praktizieren. Das ist der Grund weswegen ihr einen natürlichen Zulauf habt und das ist das Konzept, dass wir jetzt bei Opinion Leaders Network auch leben.

Monica Rintersbacher: Deswegen freue ich mich auch sehr über unsere Zusammenarbeit. Gerade heutzutage sind der Austausch und die Bestätigung der Inhalte enorm wichtig, sei es bei der jungen Generation, die alles individuell aufnehmen möchte oder auch parallel in der älteren Generation, die klassisch zu vorgegebenen Zeiten konsumiert. Ist dadurch das Zusammenwachsen von Medienkommunikation und Networking vielleicht stärker geworden?

Paul Leitenmüller: Das glaube ich schon. Compliance-Vorschriften waren sicherlich notwendig und das Networking darf nicht zum legitimierten Übernehmen von Freizeitkosten werden, sondern soll den Austausch, das miteinander Sprechen und den größten gemeinsamen Nenner herauszufinden, ermöglichen. Früher gab es viele Dinge, welche die eigene Firma für einen bezahlt hat, heute ist es Standard geworden, dass man selber dafür aufkommen muss und das ist auch gut so.

Ich glaube, im digitalen Zeitalter wird es neue Berufe geben und neue Möglichkeiten wie wir unser Geld verdienen. Man bekommt nicht mehr für Anwesenheit sein Gehalt. Heute bekommt man – und das war auch immer so – wann immer man arbeitet, für seine Leistung Geld. Wo du das tust, ist egal, und wann du das tust, ist egal. Es wird auch noch eine neue Dimension geben, die fragt, wer tut mit wem wann was? Daraus entstehen noch neue Berufe, aber auch neue Konzepte. Dazu gehört auch, Geld zu veranlagen und zu sagen das Geld arbeitet alleine – aber das ist schwieriger geworden. Es ist schwieriger geworden, Geld für Anwesenheit zu bekommen oder auch mit nicht mehr zeitgemäßen Produkten, Geld zu verdienen.

Meiner Meinung nach nimmt die Bereitschaft zunehmend ab, Berufe auszuüben, die in der eigenen Sicht niedere Dienste darstellen, wie zum Beispiel putzen und bedienen. Die Einstellung des Österreichers ist: „Wieso muss ich das tun, wieso kann er das nicht selber machen?“, anstatt diese Aufgabe als schöne Arbeit zu empfinden. Das heißt, es wird neue Definitionen geben: Wann fühle man sich beruflich gebraucht und richtig erfüllt. Das Lebensglück Arbeit ist in durch die Digitalisierung neu definiert worden und es wurde auch von den Leitbetrieben und ihren Partnern versucht, eine neue Definition zu finden.

Das betrifft die Bereiche Arbeitswelten, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Für uns ergibt sich daraus der Ansporn, diese drei Bereiche so zu entwickeln, dass wir zeitgemäße Dienste in unserem Medium anbieten. Nur, wenn wir uns ständig hinterfragen und neu erfinden, kann das, was wir jetzt tun, auch längere Zeit überleben.

Monica Rintersbacher: Wie ich herausgehört habe, sind Werte ein wichtiges Thema und wir leben in einer Gesellschaft, die darauf ausgelegt ist, Geld zu verdienen. Möglicherweise wird Geld einmal durch einen anderen Wert ersetzt. Ein weiteres wichtiges Thema ist aber auch die Sinnstiftung. Das Gefühl gebraucht zu werden und zu wissen was man leistet. In deinen Erläuterungen hast du uns erzählt, dass sich die Geschäftsmodelle und die Arbeitseinstellung verändert haben. Wie wird sich unsere Wirtschaft weiter entwickeln – hast du eine Vision für die nächsten 20 Jahre?

Paul Leitenmüller: Die Entwicklung ist so rasant, dass man schwer vorhersehen kann was in 20 Jahren möglich sein wird. Die Pandemie hat uns gezeigt, wenn das Menschenleben bedroht ist, entsteht ein Umdenken. Ebenso ist es mit der Erderwärmung. Wenn der Lebensraum des Menschen eingeschränkt und bedroht wird und „unlebenswert“ wird, beginnt die Diskussion um nachhaltiges Leben. Das heißt, das Hauptthema der Zukunft und besonders in den nächsten zwanzig Jahren werden sicher die Themen nachhaltig miteinander umzugehen und das Erhalten unseres Lebensraumes sein.

Die zweite große Frage wird sein, wer darf den Lebensraum haben, wenn der Lebensraum eng wird? Wer zollt wem gegenüber Respekt? Zum Beispiel ist das Leben eines Inders weniger lebenswert, als unseres in der ersten Welt und es gibt die Frage, ob man das durch Digitalisierung irgendwie wettmachen kann? Nein, das kann man nicht. Ist das, was wir heute hier tun, für viele Milliarden Menschen möglich? Ist genug für alle da? Einen Mittelweg zu finden, wird ein Thema der Zukunft sein und noch wichtiger als die Nachhaltigkeit, wird der Respekt. Ich glaube in 20 Jahren wird eines der Hauptthemen die Steuerungsmechanismen der Welt sein – wer darf das gute Wasser trinken, wo kann ich überleben?

In den nächsten fünf Jahren wird es darum gehen, wie wir die Digitalisierung respektvoll vorantreiben und Strom für alle zugänglich machen. Das „Empowering for the All Electric Society” ist das große Thema von Phoenix Contact. Die sagen, eine weltweite Elektrifizierung ohne zusätzlichen Verbrauch von Umweltressourcen wäre möglich.

Ich denke, ein weiteres Thema der Zukunft, wird auch das Teilen sein. Wir werden noch die Frage erleben, wer das gute Gletscherwasser aus Österreich trinken darf. Gehört das nur uns? Wem gehören die Ressourcen? Wie gesagt, man muss wahrscheinlich kurzfristig mit vielen operativen Zielen arbeiten, denn 20 Jahre sind eine lange Zeit, um voraus zu planen.

Monica Rintersbacher: Ja, wir sind gespannt und können nur prognostizieren. Was nehmen wir aus dem Gespräch also mit? Beim Thema Nachhaltigkeit, haben wir die nächsten Jahre und Jahrzehnte die große globale Aufgabe, die Welt, die für uns so lebenswert ist und unsere Lebensqualität zu erhalten. Das zweite Thema ist die Digitalisierung, die immer eine unterstützende Funktion hat, aber die Kommunikation, Information und den persönlichen Austausch niemals ersetzen wird können.

Danke für die zehn gemeinsamen Jahre. Wir werden weiterhin viel entwickeln, jeder für sich, aber auch gemeinsam. Darauf, freue ich mich!

www.leadersnet.at

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