Vom Recruiting bis zum Onboarding – wie junge Menschen gut in die Lehre starten
Nachbericht zur Veranstaltung vom 22. September 2025
Im Rahmen eines Online-Fokus-Gesprächs von Leitbetriebe Austria drehte sich alles um die Frage, wie Lehrlinge erfolgreich rekrutiert, begleitet und auf ihrem beruflichen Weg unterstützt werden können.
„Eine Lehrlingsausbildung bedeutet nicht nur Fachwissen zu vermitteln, sondern auch Verantwortung für die nächste Generation zu übernehmen. Je nach Branche und Unternehmen gibt es verschiedenste Wege und Möglichkeiten, aus jungen Menschen Fachkräfte zu entwickeln“, betonte Monica Rintersbacher, Geschäftsführerin Leitbetriebe Austria und Vize-Präsidentin von zukunft.lehre.österreich.
Gemeinsam mit der z.l.ö. – zukunft.lehre.österreich, Schoeller-Bleckmann Edelstahlrohr GmbH und der Österreichischen Verkehrsverbund AG wurden Strategien und Ideen für eine bestmögliche Lehrlingsausbildung aufgezeigt.
Monika Sandberger, Geschäftsführerin, z.l.ö. – zukunft.lehre.österreich
Monika Sandberger betonte die zentrale Bedeutung von Aufklärungsarbeit und einer Stärkung des Images der Lehre: „Wir kämpfen immer noch damit, dass die Lehre nicht richtig wahrgenommen wird. Unser Ziel ist es, die Lehre zur ersten Wahl für die Fachkräfte von morgen zu machen.“
Kernpunkte ihrer Inputs:
- Vielfalt sichtbar machen: Über 200 Lehrberufe stehen in Österreich zur Wahl – dieses breite Spektrum müsse noch viel stärker kommuniziert werden.
- Onboarding stärken: Klare Strukturen, feste Ansprechpersonen und echte Wertschätzung sind entscheidend, um Vertrauen aufzubauen.
- Herausforderungen meistern:
- Der demografische Wandel erschwert das Recruiting.
- Themen wie Sucht (Alkohol, Drogen, Gaming) und mentale Gesundheit verlangen nach gezielten Präventionsmaßnahmen.
- Lehre nach der Matura: Ein großes, bislang ungenutztes Potenzial. Während in Deutschland knapp 30 % der Lehrlinge bereits eine Matura haben, liegt Österreich noch bei unter 3 %.
Mario Born, Head of apprentice Training, Schöller-Bleckmann Edelstahlrohr GmbH
Der Lehrlingsverantwortliche Mario Born gewährte praxisnahe Einblicke in Recruiting und Onboarding des Unternehmens. Besonders bemerkenswert: Lehrlinge im 3. und 4. Lehrjahr übernehmen aktiv Bewerbungsgespräche, Betriebsführungen und Präsentationen.
„Unsere Lehrlinge sind in den Auswahlprozess miteingebunden. Sie führen unter anderem die Erstgespräche und wählen gemeinsam mit uns Führungskräften die geeignetsten Bewerber aus. Dabei sind sie sehr kritisch – manchmal fast zu sehr“, so Born.
Kernpunkte seiner Inputs:
- Recruiting: Großteils über Polytechnische Schulen, AMS, Mundpropaganda und Messen. Lehrlinge im Unternehmen arbeiten aktiv beim Auswahlprozess mit.
- Onboarding & Begleitung: Die ersten drei Monate sind die neuen Lehrlinge in der Lehrwerkstatt, anschließend beginnt der Einsatz in den Fachabteilungen. Wichtig ist im Unternehmen auch, dass Mario Born als Ansprechpartner immer zur Verfügung steht und durch die firmeninterne Werkschule, jeden Freitag in den ersten 3 Lehrjahren, der Austausch und Zusammenhalt gefördert wird.
- Herausforderungen: Suchtthematiken (insbesondere Gaming-Sucht) benötigen künftig eine höhere Aufmerksamkeit indem diverse Präventionsmaßnahmen getroffen werden.
- Lehre mit Matura: Wird aktiv angeboten und mit Freistellungen unterstützt. Weiterbildung sei im Unternehmen ausdrücklich erwünscht.
Nina Rettensteiner, HR-Expert für young Talents, Österreichisches Verkehrsbüro AG
Als HR Expert Young Talents sprach Nina Rettensteiner über die Ausbildung in einem Konzern mit mehreren touristischen Sparten und bis zu 12 Lehrberufen. „Unser Fokus beim Recruiting liegt bei den Schulen, wo wir erzählen können wer wir sind und wie vielfältig die Welt der Lehre bei uns ist.“
Kernpunkte ihrer Inputs:
- Recruiting: Das Unternehmen setzt stark auf Schulbesuche, um über die Lehre zu informieren. Weitere Präsenz und Zusammenarbeit: Messen, AMS, WKO und div. Plattformen.
Die Ausbildner der einzelnen Standorte sind dann im Entscheidungsprozess federführend. - Onboarding & Begleitung: Start im September unter anderem mit einem Onboarding-Day. Die eigene Lehrlingsakademie fördert die Ausbildung laufend durch Schulungen und Workshops zu Knigge, Finanzen, Resilienz oder Nachhaltigkeit (wie etwa „Climate Ranger“. Mittels Crosstraining erhält der Lehrling auch die Möglichkeit, sich gewisse Kompetenzen in einem anderen Betrieb anzueignen.
- Herausforderungen:
- Unterschiedliche Einstellungen und Erwartungen der Generationen
- differenzierter Umgang mit Sprache und Etikette
- Integration von Flüchtlingen – diese benötigen erweiterte Hilfestellungen
- Lehre mit Matura & internationale Programme: Die Lehre mit Matura wird angeboten, aber wenig genutzt. Es gibt jedoch Austauschprogramme (z. B. Erasmus) auf internationaler Ebene, die für Interessierte eine Chance darstellen.
Zusammenfassung:
- Image stärken: Die Wahrnehmung der Lehre hinkt ihren tatsächlichen Stärken hinterher – hier braucht es mehr Sichtbarkeit und Bewusstseinsarbeit.
- Recruiting: Persönliche Ansprache über Schulen ist entscheidend. Die Einbindung der Ausbildenden und bestehenden Lehrlingen macht den Auswahlprozess glaubwürdiger und erfolgreicher.
- Onboarding: Klare Strukturen, feste Ansprechpersonen und eine wertschätzende Gesprächskultur sichern einen guten Start.
- Herausforderungen: Unterschiedliche Erwartungen zwischen Generationen, fehlende „Social Skills“ sowie steigende Themen wie Suchtprävention und mentale Gesundheit verlangen nach neuen Ansätzen. Wichtig ist dabei auch, sich auf diese unterschiedlichen Sichtweisen einzustellen, um gut und respektvoll miteinander kommunizieren zu können.
- Lehre mit Matura: Das Angebot wird bislang wenig genutzt, birgt aber enormes Potenzial. Vor allem für Eltern ist es ein entscheidendes Argument, weil ihre Kinder mit einer Lehre gleichzeitig die Möglichkeit zum Maturaabschluss haben.