Monica Rintersbacher, Geschäftsführerin Leitbetriebe Austria, eröffnete die Veranstaltung und gab einen Rückblick auf die langjährige Partnerschaft mit dem Unternehmensservice des BMEIA, die 2016 begann. Sie betonte die Bedeutung der engen und beständigen Zusammenarbeit in geopolitisch und wirtschaftlich herausfordernden Zeiten (Iran, Russland, Brexit).
„Wir freuen uns sehr, dass wir heute hier sind – dank der BMEIA-Initiative „Business Meets Diplomacy“ behandeln wir heute gemeinsam Themen, die die Leitbetriebe und die Politik seit Jahren verbinden“, so Rintersbacher.
Vorstellung des Unternehmensservice
Ulrike Ritzinger, Leiterin des Unternehmensservice im BMEIA und designierte Botschafterin in Portugal, erläuterte die Aufgaben und Entwicklung ihrer Abteilung:
- Unterstützung österreichischer Unternehmen bei komplexen Anliegen im Ausland.
- Zusammenarbeit mit über 100 österreichischen Botschaften und Konsulaten weltweit.
- Bewerbung des Wirtschaftsstandorts Österreich über die Initiative ReFocus Austria.
„Wenn ein Unternehmen im Ausland Probleme hat, die nur mit diplomatischer oder politischer Unterstützung lösbar sind, dann sind wir die richtigen Ansprechpartner“, hielt Ulrike Ritzinger fest.
Begrüßung Staatssekretär Sepp Schellhorn
Staatssekretär Sepp Schellhorn betonte in seiner Ansprache die Bedeutung von Deregulierung und Bürokratieabbau zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts:
- Österreich braucht Entlastung – nicht nur steuerlich, sondern auch administrativ.
- Die Rolle des Außenministeriums ist es, Unternehmen im Ausland aktiv zu unterstützen.
- Europa muss sich gegenüber anderen Wirtschaftsräumen wie den USA behaupten.
„Wir müssen Europa wieder im Sinne der Innovationskraft stärken – und das geht nur gemeinsam“, so Schellhorn.
Expertinnen-Podium zur wirtschaftlichen Situation
Zum Thema der Veranstaltung „Neue Märkte und internationale Wettbewerbsfähigkeit mit Schwerpunkt USA“ bot ein hochkarätiges Podium Insider-Expertise:
- Dr. Elisabeth Kornfeind, Sektionsleiterin Europa & Wirtschaft, BMEIA
- DDr. Petra Schneebauer, Österreichische Botschafterin in den USA (live zugeschaltet)
- Mag. Gudrun Hager, Regionalmanagerin Nord-, West-, Zentral- und Südeuropa, AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA, WKÖ
Monica Rintersbacher und Ulrike Ritzinger führten gemeinsam durch den informativen Austausch.
Dr. Elisabeth Kornfeind, Sektionsleiterin für Europa & Wirtschaft im BMEIA, strukturierte ihre Ausführungen anhand dreier Leitsätze der Diplomatie: Vernetzen, Vermitteln und Vorstoßen. Sie unterstrich dabei die Bedeutung diplomatischer Arbeit als Bindeglied zwischen Wirtschaft, Politik, Forschung und Gesellschaft – national wie international.
- Vernetzen
Das Außenministerium fungiere zunehmend als zentrale Plattform für Dialog und Kooperation. In Österreich wie im Ausland würden gezielt Vertreter von Unternehmen, Hochschulen, Think-Tanks und politischen Institutionen zusammengebracht, um strategische Allianzen und Innovationsnetzwerke aufzubauen. - Vermitteln
In komplexen, grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Problemfällen sei die Diplomatie oft der letzte Hebel: Sei es bei fehlerhaften Ausschreibungsprozessen, unfairer Marktzugangsregulierung oder in geopolitisch sensiblen Kontexten. Hier helfe das Außenministerium direkt – oder schaffe über Memoranda of Understanding neue Rahmenbedingungen. - Vorstoßen
Österreich identifiziere mit seinem diplomatischen Netzwerk gezielt neue Chancenmärkte – etwa durch das neue ‚OPEN AUSTRIA‘-Büro in Boston, das sich auf Life Sciences fokussiert. Auch der Ukraine-Markt werde bereits strategisch bearbeitet durch den im BMEIA angesiedelten ‚Point of Contact für den Ukraine-Wiederaufbau‘, da wirtschaftlicher Wiederaufbau und Beteiligung österreichischer Unternehmen hohe Relevanz haben.
In der Bewertung der EU-Wettbewerbsfähigkeit räumte Kornfeind Defizite ein: 17 % Rückstand im BIP gegenüber den USA, drastisch höhere Energiepreise (+345 %) und Marktanteilsverluste. Gleichzeitig bestünden Chancen durch Programme wie den Clean Industrial Deal, RepowerEU und die angestrebte Kapitalmarkt- und Investitionsunion. Österreich spiele eine aktive Rolle bei der Gestaltung – nicht nur der Umsetzung – dieser Strategien.
Kornfeind betonte, dass Europa Kapital gezielter in Innovationsbereiche lenken müsse. Derzeit lägen 70 % des EU-Sparvermögens auf Bankkonten; in den USA sei dieser Anteil aktiv investiert. „Wir vernetzen, wir vermitteln, und wir stoßen vor – damit österreichisches Know-how global erfolgreich wirken kann.“
DDr. Petra Schneebauer, österreichische Botschafterin in den USA, bot in einer Live-Zuschaltung aus Washington einen tiefen Einblick in die wirtschaftliche Lage und die politischen Dynamiken in den USA und deren unmittelbare Auswirkungen auf österreichische Unternehmen. Sie analysierte die Rolle der USA unter Präsident Trump sowie die strategische Neujustierung Europas im Kontext drohender Zölle und protektionistischer Maßnahmen.
- Wirtschaftliche Verunsicherung
Sie warnte eindringlich vor den Auswirkungen der geplanten US-Zölle – speziell in Bereichen wie Maschinenbau, Pharma oder Aluminium. Österreichs Exporte in die USA seien mit 2,7 Milliarden Euro betroffen, laut WIFO. Die Maßnahmen führten aktuell dazu, dass viele Firmen ihre Investitionen aus Unsicherheit zurückstellen. - Initiativen & neue Chancen
Schneebauer verwies auf positive diplomatische Erfolge: Erstmals habe Österreich eine bilaterale Kongress-Delegation (Congressional Austria Caucus) in Washington etabliert, eine überparteiliche Gruppe von US-Kongressabgeordneten, die sich künftig regelmäßig mit Themen rund um Österreich auseinandersetzen – ein Meilenstein, um wirtschaftliche Interessen strukturiert einzubringen.
Außerdem schlug sie die Einführung eines österreichischen Pendants zu „SelectUSA“ vor – also eine nationale Plattform, bei der sich alle Bundesländer potenziellen internationalen Investoren präsentieren und Standortvorteile bewerben. - EU als verlässlicher Partner
Trotz protektionistischer Tendenzen in den USA sieht Schneebauer eine klare Chance für die EU: Als verlässlicher, stabiler Markt – vor allem in einer Zeit sprunghafter US-Außenpolitik – könne Europa geopolitisch und wirtschaftlich profitieren. Sie mahnte jedoch mehr Selbstbewusstsein in Europa ein – besonders in Technologiethemen.
„Wir müssen als Europäer selbstbewusster auftreten – sonst haben wir den Kampf um die technologische Führerschaft schon verloren“, mahnte Schneebauer.
Mag. Gudrun Hager, Regionalmanagerin Nord-, West-, Zentral- und Südeuropa, AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA, WKÖ, beleuchtete die Auswirkungen der US-Zollpolitik auf den Geschäftsalltag österreichischer Unternehmen. Besonders betroffen seien industrielle Schlüsselbranchen, allen voran Maschinenbau, Automotive, Metallverarbeitung und Technologiegüter.
- Tariff Engineering & Unsicherheit
Die Zollsituation sei so dynamisch und komplex, dass keine Pauschallösungen möglich seien. Unternehmen müssten ihre Produkte, Lieferketten und Ursprungsländer im Detail analysieren, ‚Tariff Engineering‘ ist gefragt. - Maßnahmen der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
Hager präsentierte eine ganze Reihe an Services für österreichische Unternehmen wie Zoll- und Marktupdates, Kooperationsprogramme mit Top-Partnern wie MIT, Zukunftsreisen für aktuelle Themen oder Bootcamps als perfekte Plattform für denMarkteinstieg. Neu ist die erhöhte Messeförderung für Schlüsselbranchen (z. B. Mobilität, Green Tech) für 2025. - Strategischer Ausblick
Sie betonte, dass sich trotz Unsicherheiten weiter gute Chancen bieten: der größte Wirtschaftsraum der Welt ist Innovations- und Technologieführer, österreichische Unternehmen sind als Partner geschätzt und können besonders zur Reindustrialisierung des Landes einen wichtigen Beitrag leisten. Eine gezielte Vorbereitung ist gefragt, folgende Trends lassen sich aktuell identifizieren:- Reindustrialisierung des Landes – das größte Projekt
- Infrastrukturinvestitionen – hier gibt es enormen Aufholbedarf
- Künstliche Intelligenz – Schlüsselfaktor für Wettbewerbsfähigkeit
- Green Economy – bleibt wichtig, unabhängig von „Drill, baby, drill“
- Health, MedTech und Life Sciences – boomen weiter
Hager betonte die Entwicklungen in den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen der letzten fünf Jahre: „Die wirtschaftliche Verflechtung Österreichs mit den USA ist so intensiv wie nie, diesen Trend wollen wir mit maßgeschneiderten Initiativen weiter stärken.“
Auch aus dem Publikum gab es dazu interessante Inputs und Fragestellungen:
Katja Otter, Austrian Business Agency (ABA), beleuchtete Österreichs Potenzial als Forschungs- und Innovationsstandort und erwähnte die Joint Effort-Initiative, mit der gezielt Talente aus den USA nach Österreich zurückgewonnen werden sollen.
Die Austrian Business Agency übernimmt das „Inbound-Marketing“ – also die Bewerbung des Standorts Österreich für ausländische Investoren, Forscher und Unternehmen. Gemeinsam mit Advantage Austria und OPEN AUSTRIA arbeite man gezielt an Innovationsdrehscheiben wie Boston und San Francisco.
„Innovation, Ausbildung und Lebensqualität – das macht Österreich für internationale Talente attraktiv“, betonte Otter.
Auch folgende Fragen wurden behandelt:
- Wie können sich österreichische bzw. europäische Unternehmen gegenüber den USA behaupten, wenn das Thema AI jetzt so massiv einzieht und Österreich sich selbst durch Bürokratie stark im Weg steht – gibt es Initiativen, um auch in Europa/Österreich ein starkes AI-Ökosystem aufzubauen?
- Dr. Elisabeth Kornfeind betonte, dass der Zugang zu Technologieclustern wie Boston (MIT) essenziell sei, ebenso wie Regulierungspolitik, die Innovation nicht abwürgt.
- Europa sei ein wirtschaftliches Schwergewicht und diese Rolle müsse man selbstbewusst vertreten – auch gegenüber US-Digitalgiganten, ergänzte DDr. Petra Schneebauer.
- Wie können österreichische Unternehmen in den USA den besten Produktionsstandort finden? Im konkreten Fall für globale Logistikanbieter.
- Mag. Gudrun Hager sieht aktuell im Südosten der USA gute Bedingungen, rät aber, sich immer alles individuell und im Detail anzusehen.
- DDr. Petra Schneebauer machte auf die oft im Wettbewerb stehenden US-Bundesstaaten aufmerksam, die häufig mit lukrativen Steuererleichterungen Investitionen aus dem Ausland anlocken. Gleichzeitig müsse man jedoch beachten, ob ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stehen. Sie bot die Vernetzung mit anderen österreichischen Firmen vor Ort an, bevor eine Standortauswahl in den USA getroffen wird.
Weitere offene Punkte wurden nachfolgend bei einem kleinen Get2Gether mit Kaffee und Snacks besprochen.
Am Ende der Veranstaltung betonte Monica Rintersbacher die Bedeutung des offenen Dialogs zwischen Wirtschaft und Diplomatie: „Für eine positive wirtschaftliche Perspektive in herausfordernden Zeiten ist Mut, Innovationskraft und internationale Vernetzung wichtig. Zudem braucht es kompetente, individuelle Beratung in komplexen Märkten sowie die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Diplomatie und Wirtschaft.“