Die wichtigsten Ergebnisse einer österreichweiten Umfrage zu Natur-, Arten- und Umweltschutz, durchgeführt von Marketagent im Auftrag der gemeinnützigen Arche Guntrams.
Die Studie wird als Auftakt zum Internationalen Tag der Biodiversität am 22. Mai 2022 vorgestellt.
Aktuelles Sorgen-Barometer in unsicheren Zeiten.
Die größten Sorgen der Österreicher*innen sind die Ausbeutung von Wäldern, Ernteflächen, Bodenschätzen und Meeren zum Schaden unserer Nachkommen und dass die Umweltverschmutzung Natur und Menschen schädigt. Die Sorge vor dem Klimawandel findet sich auf dem fünften Platz der Rangliste.
Die Umfrage fand Ende April 2022 statt, also mitten im Krieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine. Die eingangs genannten Sorgen sind auch in dieser heiklen Phase größer als vor einem begrenzten oder globalen Atomkrieg. Vergleichsweise wenig Sorgen bereiten den Österreicher*innen neue Seuchen / Pandemien, ein totaler Stromausfall sowie der Verlust von Wohnung oder Arbeitsplatz.
Wir haben auch gefragt „Inwiefern berühren Sie die folgenden Anliegen“? Es zeigt sich, dass Gerechtigkeit, medizinische Versorgung, Menschenrechte und Demokratie höchste Priorität haben, dicht gefolgt von Natur- und Artenschutz (76,7%).
Kriegsflüchtlinge / Asylanten sind nur für etwas mehr als die Hälfte ein Anliegen, das sehr oder eher berührt.
Die Natur als höchstes Gut?
„Es ist die Pflicht des Menschen, die Natur zu schützen“; diese Aussage trifft für 88,2 Prozent der Österreicher*innen voll und ganz oder eher zu. Fast ebenso viele macht es glücklich, in der Natur zu sein. Den Vorrang für die Natur belegt ein weiteres Resultat der Umfrage, wonach die wirtschaftliche Entwicklung nur für 22,9% der Natur im Weg stehen darf.
Auch auf die Frage, wie notwendig ein stärkeres gesellschaftliches Engagement im Bereich Natur- und Artenschutz sei, antworten drei Viertel der tausend Befragten mit „sehr dringlich“ oder „eher dringlich“. „Noch deutlicher geht es kaum“, kommentiert Stefan M. Gergely von der neu gegründeten Arche Guntrams, die sich gemeinnützig für Bio-Monitoring und konkrete Artenschutz-Projekte einsetzt; „dieses Bekenntnis der Österreicher*innen für die Natur ist ein klarer Auftrag für die Politik, mehr zu tun als bisher“.
Was die Vielfalt der Arten am meisten bedroht.
Die Verbauung von Grünflächen und Bodenversiegelung halten 59,5% der Bevölkerung für die größte Bedrohung der Artenvielfalt, knapp gefolgt von Müllbelastung / Mikroplastik. Auf den Plätzen 3 bis 5 werden Umweltverschmutzung, Abholzung sowie Klimawandel / Erderwärmung genannt. Dagegen sind Jagd und Wilderei, Massentourismus und Überbevölkerung vergleichsweise geringe Bedrohungen, ergab die österreichweite Umfrage von Marketagent.
73,3% der Österreicher*innen sind sehr oder eher davon überzeugt, dass die biologische Vielfalt auf der Erde abnimmt. Eine kleine Minderheit von 3,3% ist davon eher nicht oder gar nicht überzeugt.
Auch eingeschleppte Pflanzen und Tiere sind ein Thema, das bewegt: So ist es für 71% der Befragten sehr oder eher wichtig, dass Maßnahmen gegen die Gefährdung durch invasive Arten gesetzt werden.
Die Wünsche nach mehr Kenntnis über Artenvielfalt.
Für fast jeden Zweiten soll die Schule mehr Wissen über Artenvielfalt vermitteln. Führungen in der Natur sind für 36,4% wichtig. In Zoos und Tierparks sowie botanischen Gärten ist die Wissensvermittlung nur für jeden Fünften wichtig.
Mehr Artenkenntnis wünschen sich die Österreicher*innen am ehesten über Bäume, Blütenpflanzen und Vögel, wobei Blütenpflanzen für Frauen viel interessanter sind als für Männer. In engen Grenzen dagegen hält sich das Interesse an Algen und Flechten, Spinnen sowie Muscheln und Schnecken.
Welche politischen Maßnahmen als wichtig gelten.
Für 81,8% der Befragten trifft es voll und ganz oder eher zu, dass der Verbrauch von Bodenflächen für Siedlungen, Gewerbe und Verkehrsflächen reduziert werden muss, um die biologische Vielfalt zu erhalten. Der Klimawandel wird fast ebenso stark als Bedrohung für die biologische Vielfalt eingestuft.
Schutzgebiete für die Natur hält eine große Mehrheit (81,4%) für wichtig. Nur 15,2% meinen, dass es schon genug davon gibt. Fast drei Viertel der Österreicher*innen sehen Schutzgebiete als wichtigen Teil ihrer Heimat.
Klare Mehrheit für radikale Kehrtwende.
Nur ein knappes Fünftel der Österreicher*innen glaubt, dass die moderne Technik dafür sorgen kann, Natur und Umwelt intakt zu halten. Dagegen stimmen 61% der Befragten der Aussage sehr oder eher zu, dass eine „radikale Kehrtwende in unseren Lebensgewohnheiten und Ansprüchen“ angesagt ist. „Das Bewusstsein, dass es so nicht weiter gehen kann und darf, zieht sich wie ein roter Faden durch unsere ganze Studie“, betont Thomas Schwabl, Geschäftsführer von Marketagent.
Für die Meisten wird der Klimawandel durch das Handeln des Menschen verursacht. Ein Drittel meint, dass natürliche Vorgänge und menschliches Handeln „in etwa zu gleichen Teilen“ das Klima verändern. Für 4,7% hat sich das Weltklima nicht verändert. „Diese Daten belegen, dass „Klimaleugner“ wenigstens in Österreich ziemlich unbedeutend sind“, ergänzt Stefan M. Gergely.
Was jede*r selbst und was die Politik tun soll.
An der Spitze der „effektivsten alltäglichen Handlungen“ stehen Plastik vermeiden, regional einkaufen und Müll vermeiden oder getrennt entsorgen. Für jeden Vierten der Österreicher*innen sollte der Konsum eingeschränkt werden. Am unteren Ende der Skala finden sich Maßnahmen wie „statt einem Diesel- oder Benzinmotor ein E-Auto kaufen“.
Als effektivste politische Maßnahme für den Klima- und Umweltschutz wird das Verursacherprinzip als gesetzliche Regel gefordert: Es soll derjenige für die Beseitigung von Schäden an der Umwelt und am Klimawandel sorgen, der sie angerichtet hat. Am wenigsten wichtig sind höhere Abgaben auf Erdöl und Erdgas, der Ausbau der E-Mobilität, die Besteuerung von Kohlendioxid sowie die Einschränkung des globalen Handels.
Die Rolle der Konzerne und Interessenverbände.
Für 75,3% der Befragten hat die Wirtschaft (Konzerne, Interessenverbände) einen sehr großen oder großen Einfluss auf die Politik bei Natur-, Umwelt- und Artenschutz. Zu Werbeaussagen und Gütesiegeln mit Slogans wie „nachhaltig“, „aus biologischem Anbau“, „ohne Gentechnik“ oder „aus regionaler Herkunft“ ist die Bevölkerung eher skeptisch eingestellt: Für knapp die Hälfte der Österreicher*innen wird nicht ausreichend kontrolliert, ob die werblichen Aussagen auch halten, was sie versprechen. Nur 11,3% haben Vertrauen in solche Werbeaussagen und Gütesiegel.