Cornelia Samec; © Thomas Unterberger

Tietoevry Austria: Keine Frauenquoten mehr nötig? (Interview)

Cornelia Samec ist im Leadership-Team des IT-Dienstleisters Tietoevry Austria und steht Rede und Antwort zur Frauenquote, der Sinnhaftigkeit von Diversität für Österreichs Unternehmen und warum Mentoring für Frauen wichtig ist

Karin Forster: Liebe Cornelia, du bist People Managerin und außerdem Head of Operational Excellence bei dem kürzlich als Leitbetrieb zertifizierten Unternehmen Tietoevry Austria, einem IT-Dienstleister mit nordischen Wurzeln. Schön, dass du uns einige Fragen für den Leitbetriebe-Newsletter beantwortest! Ich starte mit einem polarisierenden Thema: Der Frauenquote. Was denkst du persönlich: gut, schlecht, Unsinn oder unverzichtlich?
Cornelia Samec: Über die Zeit hat sich meine Meinung über die Frauenquote für die Führungsebene in Österreichs Unternehmen transformiert. Sowohl Befürworter als auch Gegner haben gute Argumente. Ich selbst betrachte die Quote nicht mehr als bloßes Zutrittsticket, sondern als Bewusstseinsvehikel für ein breiteres Spektrum an Talenten. Die Frauenquote hat aus meiner Sicht sehr wohl ihre Berechtigung, denn es muss sich viel schneller etwas ändern in Sachen Gleichstellung, und dieses Tool ist wirksam. Frauen arbeiten hart für ihr Vorankommen, das entspricht meiner Überzeugung und auch meiner Beobachtung und so ist die Argumentation, dass Frauen auf Grundlage einer Quote anstelle ihres Verdienstes befördert werden, ganz leicht widerlegbar.

Karin: Kommen wir nun zu dir als Person. Erläutere uns bitte etwas genauer die Schwerpunkte deiner beiden Rollen bei Tietoevry. Bonus-Frage: Wie würdest du den übergeordneten Auftrag beschreiben, den du über die verschiedenen Funktionen hinweg erfüllst?
Cornelia: Als Head of Operational Excellence liegt meine Verantwortung unter anderem darin, sicherzustellen, dass interne Prozesse reibungslos funktionieren, einschließlich der Einhaltung von unseren ISO-Zertifizierungen, und dass Projekte und Services für unsere Kunden profitabel abgewickelt werden.

Als People Managerin betreue ich ein Team von 30 Personen und bin dafür verantwortlich, sie zu fördern, sie dabei zu unterstützen, sich als Team selbst zu organisieren und sich kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Mentorin zu sein ist für mich eine Herzensangelegenheit. Ich glaube fest daran, dass Frauen in Führungspositionen, beziehungsweise am Weg dorthin, unterstützt werden müssen. Frauen sollten von anderen Frauen lernen und Einblicke erhalten können, wie diese mit verschiedenen Situationen umgehen.

Ich liebe es, fliegend zwischen den Rollen Coach, Mentorin und Vorgesetzte zu wechseln, je nachdem, was gerade erforderlich ist, um die einzelne Person sowie das gesamte Team bestmöglich zu fördern.

Karin: Dein Arbeitgeber und zertifizierter Leitbetrieb Tietoevry Austria steht für die Themen Künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit und Diversität. Kannst du kurz umreißen, was sich bei Tietoevry im Bereich Künstliche Intelligenz tut? Und warum das etwas mit Frauen zu tun hat?
Cornelia: Am Thema Künstliche Intelligenz arbeitet ein ganzes Team – einerseits, um dieses inhaltlich weiterzutreiben und andererseits, um für Kundenunternehmen maximalen Nutzen zu generieren. Und das schon heute, nicht erst übermorgen. Im KI-Team findet sich eine Reihe richtig starker und smarter Frauen: Elisa Liekkilä, beispielsweise, ist gebürtig Finnin und unterstützt KI-Projekte in Kundenunternehmen von der Business-Seite, während Doris Raimann ihre hohe technische Expertise einbringt. Tietoevry Austria war in 2023 unter den allerersten IT-Dienstleistern, die in Österreich ein dediziertes Offering für Unternehmen auf den Markt brachte – in Form einer datensicheren Version von ChatGPT namens „Tietoevry GPT for Business“. Ich bin stolz darauf, dass unser KI-Team damit eine starke Vorreiterrolle eingenommen hat und diese auch in 2024 fortführt!

Karin: Nach KI ist auch Nachhaltigkeit ein thematisches Flaggschiff von Tietoevry Austria. Warum und wodurch?
Cornelia: Tietoevry zählt international rund 24.000 Expert:innen. In Österreich sind wir etwa 300 Mitarbeitende in Wien, Linz und Graz. Uns alle eint ein Ziel: die Förderung der Wirtschaft und Gesellschaft durch die nachhaltige Entwicklung sinnvoller Technologien. Das fängt bei Software zum energieeffizienteren Betrieb von Produktionsstätten an und endet nicht erst bei der Unterstützung von Unternehmen, ihre ESG-Auflagen erfüllen zu können. Meine Kollegin Anne Marchal ist hier federführend als treibende Kraft und wertvoller Teil des Energiemanagement-Teams zu nennen – zu sehen ist also auch hier die wertvolle Unterstützung von weiblichen Experts.

Nachhaltigkeit für Unternehmen funktioniert nur, wenn wir selbst nachhaltig arbeiten und ein diverses Team mit einer hohen Frauenquote trägt dazu bei, dass Teams besser und nachhaltig miteinander arbeiten können.

Karin: Auch der große Begriff Diversität ist zentral bei Tietoevry. Was versteht die Organisation darunter?
Cornelia: Wir haben uns selbst den Auftrag gegeben, Gleichberechtigung und Chancengleichheit für alle Mitarbeitenden sowie für alle potenziellen Mitarbeitenden von Tietoevry Austria zu schaffen. Wir wollen ein nachhaltiges Umfeld fördern, das allen Menschen in und um Tietoevry hilft, ihre Vielfalt zu nutzen. Diversität hat viele Facetten, und eine wichtige ist die, mehr Frauen ins Team und in führende Rollen zu bringen.

Karin: Was hat ein IT-Dienstleister deiner Meinung nach davon, sich für mehr Diversität zu engagieren? Und was hat das im Konkreten mit weiblichen Arbeitnehmerinnen zu tun?
Cornelia: Es gibt hier mehrere Dimensionen. Die eine ist die ethische: Wie schon vorhin in Bezug auf Nachhaltigkeit geschildert, ist unser Handeln von starken Werten geleitet, die eine diverse und inklusive Welt fördern sollen. Eine weitere Dimension ist jene als Arbeitgeber, speziell in Zeiten des Fachkräftemangels: Wir sind für einen breiteren und vielfältigeren Pool an möglichen Arbeitnehmer:innen attraktiv, indem wir unser Diversitäts-Commitment tagtäglich leben. Wir ziehen Personen mit verschieden Hintergründen an, die als Arbeitnehmer:innen unzählige neue, bereichernde Perspektiven und Eigenschaften in die Organisation einbringen. Zu unserem Rahmen gehört auch ein sehr hohes Maß an Flexibilität in Sachen Arbeitszeit und –ort, und das schon lange Zeit vor der Corona-Pandemie. Diese Flexibilität kommt insbesondere Personen zugute, die auch als Elternteil Verantwortung tragen, was nach wie vor ganz häufig die Frauen in unserer Gesellschaft sind. Wir schenken unseren Teammitgliedern ein hohes Maß an Vertrauen, verlangen aber auch im Gegenzug viel Eigenständigkeit und Autonomiefähigkeit. Diese spezielle Art von Self- und Team-Leadership unterscheidet uns von zahlreichen klassisch hierarchisch geführten Unternehmen. Der Wandel zu unserer agilen Unternehmenskultur hat sich ausgezahlt: Das sehen wir an der hohen Zufriedenheit unserer Mitarbeitenden und Kund:innen sowie an einer unterdurchschnittlichen Abwanderungsrate.

Und faktisch ist es auch schlichtweg so, dass diverse Teams bessere Resultate liefern. Das belegen nicht nur Studien, sondern auch unsere Erfahrung als IT-Expert:innen.

Karin : Das klingt wirklich überzeugend und einleuchtend. Aber welche Maßnahmen ergreift Tietoevry Austria, um mehr Diversität zu fördern, abgesehen von Frauen-Mentoring und der genannten Flexibilität bei Arbeitszeit und -ort?
Cornelia: Ein internes Netzwerk namens JEDI (Justice, Equity, Diversity, Inclusion) beschäftigt sich gezielt mit dem Treiben des Maßnahmenkatalogs zugunsten von erblühender Diversität. Parallel gibt es ein weiteres internes Netzwerk namens “Women and Supporters”, das als Ziel hat, Frauen in der Organisation bzw. in der IT voranzubringen. Einige sind mit mir gemeinsam Botschafterinnen vom VÖSI-Netzwerk WOMENinICT. Wir vernetzen uns nicht nur intern, sondern auch stark mit anderen Vereinigungen außerhalb unserer Organisation, um in der Sache voranzukommen. Und hier ein ganz starker Appell: Sehr gerne lade ich andere Leitbetriebe zum Austausch ein – denn gemeinsam bewegen wir mehr!

Um nochmal explizit auf die Frauenförderung zurückzukommen: Unser Ziel ist, Frauen im Konkreten zu fördern, weil wir sehen, dass besonders unsere weiblichen Mitstreiterinnen darin bekräftigt werden müssen, ihre eigenen Stärken wahrzunehmen und einzusetzen. Warum das? Das Erreichen eines gemeinsamen Ziels stellen sehr viele Frauen, meiner Beobachtung nach, mehr in den Vordergrund als den persönlichen Erfolg. Die Gefahr dabei ist, dass sie selbst irgendwo “auf der Strecke” bleiben. Und das darf keinesfalls passieren, denn dabei würden alle verlieren.

Karin : Das wäre in der Tat fatal. Eine letzte Frage habe ich noch für dich, Cornelia. Was wünschst du dir für die Gleichberechtigung von Frauen für Arbeitswelt der Zukunft?
Cornelia: Dass sehr viel mehr Menschen als gegenwärtig die Überzeugung finden, dass Männer und Frauen gleich viel wert sind – auch, aber nicht nur in der Arbeitswelt – und jeweils unterschiedliche, aber ergänzende Stärken mitbringen. Zum Beispiel zeigt sich oft, dass Frauen starke Empathie besitzen und mithilfe dieser Unstimmigkeiten schneller erkennen und lösen können. Ich wünsche mir eine Kultur, in der männliche und weibliche Perspektiven gleichermaßen geschätzt werden, denn dadurch würden Organisationen und die Wirtschaft insgesamt erfolgreicher werden. Unabhängig vom Geschlecht ersehne ich eine Zukunft, in der die Andersartigkeit jedes Menschen gewürdigt wird. Denn wir alle profitieren von mehr Diversität! In einer solchen Welt würden wir keine Quoten mehr benötigen, da die Vielfalt und die gleichberechtigte Teilhabe aller Geschlechter von Natur aus gegeben wären.

© Robin Uthe

Karin : Danke für die Schilderung deiner Vision. Möchtest du abschließend noch etwas festhalten?
Cornelia: Ja. Gerne möchte ich nochmals betonen, dass ich mich sehr über den Austausch mit anderen Leitbetrieben zu den drei Themen KI, Nachhaltigkeit und Diversität freue!

Karin : Danke für das Gespräch, Cornelia!

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