Sanela Terko © Vanessa Hartmann-Gnong

Unternehmen halten an Nachhaltigkeitsberichterstattung fest: Gemeinsame Studie von WU Wien und BDO analysiert EU-weit die Berichterstattung unter neuen Vorzeichen

Das Omnibus-Paket und die Stop-the-Clock-Richtline setzen ein großes Fragezeichen hinter die Verbindlichkeit der bisher in der EU angedachten umfassenden Berichtspflichten im Nachhaltigkeitsbereich. Eine aktuelle Studie von WU Wien und BDO analysiert die Nachhaltigkeitsberichte von 1.000 EU-Unternehmen für das Geschäftsjahr 2024. Der Großteil der Unternehmen legt trotz der jüngsten Entwicklungen umfassende Berichte nach den bisherigen Standards vor.

Die Studie wurde im Zeitraum April bis Juni 2025 von BDO in Kooperation mit der WU Wien durchgeführt. Analysiert wurden Nachhaltigkeitsberichte des Geschäftsjahres 2024.

Die Stichprobe umfasst alle an Börsen in EU-Mitgliedstaaten gelisteten Unternehmen, die unter die Non-Financial Reporting Directive (NFRD, 2014/95/EU) und somit auch unter die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) fallen. Die Berichte wurden im April 2025 er- hoben, also bereits nach Bekanntgabe der Omnibus-Pakets und der Stop-the-Clock-Richtline. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung waren noch nicht alle Berichte öffentlich verfügbar.

Die finale Stichprobe umfasst 1.000 Unternehmen, von denen 721 ihre Nachhaltigkeitsinformationen gemäß den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) veröffentlichten.

Zentrale Studienergebnisse: Unternehmen setzen trotz Unsicherheit auf Transparenz
Die Analyse von 1.000 Unternehmen der ersten Welle in 27 EU-Mitgliedsstaaten und Norwegen für das Geschäftsjahr 2024 zeigt:

  • 72% der Unternehmen berichten nach den ESRS, mit teils erheblichen länderspezifi- schen Unterschieden.
  • Die durchschnittliche Länge der ESRS-Nachhaltigkeitserklärungen beträgt 110 Seiten, gegenüber 27 Seiten bei nicht-ESRS konformen Nachhaltigkeitserklärungen.
  • Umfangreiche Berichte finden sich v. a. in südlichen Ländern (z. B. Spanien, Italien) – im Vergleich zu skandinavischen Ländern.
  • Österreichische Unternehmen berichten mit durchschnittlich 156 Seiten besonders ausführlich.
  • 93% der ESRS-Nachhaltigkeitserklärungen wurden extern geprüft – häufiger in Ländern mit nationaler Umsetzung.
  • In mehr als 95% der ESRS-Nachhaltigkeitserklärungen werden E1 (Klimawandel), S1 (Arbeitskräfte des Unternehmens) sowie G1 (Unternehmensführung) als wesentliche Themen identifiziert.

Die europäische Nachhaltigkeitsgesetzgebung bisher
Mit der Verabschiedung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) Ende 2022 so- wie der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) im Juli 2023 hatte die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU ein neues Maß an Verbindlichkeit und Komplexität erreicht. Trotz der ambitionierten Zielsetzungen wurde die Umsetzung der CSRD in nationales Recht bis Ende 2024 nicht in allen EU-Mitgliedstaaten abgeschlossen. Österreich, Deutschland, die Niederlande, Portugal und Spanien etwa hatten die Richtlinie bis dahin noch nicht umgesetzt – hier galten weiterhin die Bestimmungen der Non-Financial Reporting Directive (2014/95/EU). In den übrigen Mitgliedstaaten trat die CSRD mit dem Geschäftsjahr 2024 vollständig in Kraft – inklusive der verpflichtenden Anwendung der ESRS und einer externen Prüfpflicht. Seither mehren sich jedoch kritische Stimmen, die unter den Schlagwörtern Bürokratieabbau und Kos- tensenkung eine Reduktion der Berichtspflichten fordern. Die EU reagierte mit dem sogenannten Omnibus-Paket zur Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Februar 2025 sowie mit der Verabschiedung der „Stop-the-Clock“-Richtlinie im April 2025. Im Juni 2025 ver- öffentlichte EFRAG erstmals einen Statusbericht über die geplanten Vereinfachungen im Rahmen der ESRS. Im Zentrum stehen fünf Hebel zur Reduktion des Erhebungsaufwands, die auf dem Prinzip „Vermeidung unverhältnismäßiger Kosten und Aufwände“ basieren – mit dem Ziel, die Berichtspunkte um bis zu 50 % zu reduzieren.

Ausblick: Nachhaltigkeitsberichterstattung als neues Normal
Trotz politischer Debatten und regulatorischer Unsicherheiten zeigt die Analyse klar: Nachhaltigkeitsberichterstattung ist in der Unternehmenspraxis angekommen. Die ESRS tragen als einheitliche europäische Berichtsstandards entscheidend zur Vergleichbarkeit und Qualität von Nachhaltigkeitsinformationen bei.

„Die strukturierte Nachhaltigkeitsberichterstattung wird auch unabhängig von regulatorischen Lockerungen eine zentrale Rolle spielen, da Stakeholder:innen, Märkte und Investor:innen zu- nehmend transparente, vergleichbare und glaubwürdige Informationen erwarten“, betont Mag. Sanela Terko, Partnerin und Expertin für Nachhaltigkeitsberichterstattung bei BDO. Die empirische Analyse zeige, dass die ESRS als Berichtsrahmenwerk bereits eine hohe Verbreitung finden – unabhängig von der nationalen Umsetzung. Der hohe Anteil an Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsberichte freiwillig extern prüfen lassen, unterstreicht zusätzlich die Bedeutung einer qualitätsgesicherten Kommunikation gegenüber den Berichtsempfänger:innen.

Prof. Dr. Katrin Hummel, Professorin für Accounting & Reporting an der WU, hebt hervor, dass insbesondere Themen wie Klimawandel, die eigene Belegschaft sowie Unternehmensführung branchenübergreifend von nahezu allen Unternehmen als wesentlich eingestuft werden.

Gleichzeitig bestehe beim Thema Biodiversität noch Nachholbedarf, da diese künftig an Bedeutung gewinnen dürfte. „Gezielte Investitionen in Nachhaltigkeit stärken nicht nur die ESG- Positionierung eines Unternehmens, sondern fördern auch die Resilienz, Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells insgesamt“, betont Sanela Terko.

Die gesamte Studie finden Sie hier.

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