Die Firmengeschichte von Zühle begann 1968 mit Gerhard Zühlke in einer Züricher Garagenwerkstatt und ist heute ein globaler Innovationsdienstleister mit einem Umsatz von 170 Millionen Franken (153 Millionen Euro). LEADERSNET hat Kristina Maria Brandstetter ist Head of Marketing and Communications bei Zühlke Österreich zum Talk getroffen.
LEADERSNET: Als Sie bei Zühlke Österreich als Leiterin der Kommunikation im Februar begonnen haben, hatten Sie sich ua. das Ziel gesteckt, die Marke Zühlke in Österreich bekannter zu machen. Dann kam Corona: Hat dieser Umstand etwas an Ihrem Ziel geändert?
Brandstetter: An meinem Ziel, Zühlke Österreich und unsere Expertise als Partner für Business-Innovation bekannter zu machen, hat sich nichts geändert. Gerade jetzt sind innovative Lösungen gefragt, Time-to-Market spielt dabei eine noch größere Rolle. Hier können und wollen wir zielgerecht unterstützen. Mit meinem Digitalisierungsbackground hatte ich bereits im Februar angefangen, unsere Maßnahmen dementsprechend umzustrukturieren, Online-Formate wie „10 min Know-how Break“, Round Tables oder die Live-Chat Serie „Ask an Expert“ einzuführen und interne Strukturen dafür auszubauen. Corona hat eigentlich nur untermauert, wie wichtig dieser eingeschlagene Weg ist. Das betrifft meiner Meinung nach alle Branchen. Keine der erforderlichen Maßnahmen, die jetzt schlagend wurden, waren wirklich unbekannt oder neu. Sie wären – Stichwort „digitale Transformation“ – in den meisten Fällen bereits vorher schon notwendig gewesen. Corona hat den Finger auf die offene Wunde gelegt und gnadenlos alle Schwachstellen aufgezeigt – von infrastrukturellen über bildungspolitische bis zu Leadership-Themen. Ich spüre viel Energie in unserem Land, den Wirtschaftsstandort Österreich gemeinsam gestärkt und nachhaltig aus der Krise zu führen. Dabei denke ich an Aktionspläne wie „Digital Austria“ der Bundesregierung oder auch Initiativen wie „Made in Austria“ der Leitbetriebe Austria und „Greenenergy Lab Österreich“, an denen sich auch Zühlke Österreich beteiligt. Wir als Zühlke Österreich sehen uns als Expeditionsleitung für digitale Transformation, von Industrie über Pharma, von Versicherungen bis Konsumgüter und Logistik. Hier können wir gerade jetzt verstärkt unterstützen.
LEADERSNET: Was bedeutet es, eine Expeditionsleitung für digitale Transformation zu sein, wie kann man sich das vorstellen?
Brandstetter: Für unsere Kunden entdecken wir oft „Neuland“, d.h. identifizieren Wachstumsfelder und erarbeiten wirtschaftlich erfolgreiche digitale Geschäftsmodelle. Um Lösungen für komplexe Aufgaben unterschiedlichster Branchen zu liefern, braucht man Expertinnen und Experten, die vorausschauend evaluieren und agieren können. Gerade in unseren Kernbranchen Industrie, Transport und Logistik, Pharma/Medtech und Versicherungen steckt viel Potenzial für Innovation. Eine erfahrene Expeditionsleitung kann dabei helfen, es zu entdecken und auszuschöpfen. Wir setzen Visionen unserer Kunden um und begleiten sie während des gesamten Business-Innovations-Prozesses: Produkte sowie Anwendungen führen wir von der Idee über die Realisierung bis zum Betrieb.
LEADERSNET: Als neue Mitarbeiterin, speziell als Marketing und Kommunikations-Leiterin und als Vollzeit arbeitende Mutter einer 4-jährigen Tochter: Vor welchen Herausforderungen standen Sie und wie haben Sie diese gemeistert?
Brandstetter: Mir macht es Spaß, Dinge anzupacken. In den ersten Wochen nach meinem Start im Februar fanden gleich der „ztalk“, eine Veranstaltung unserer Eventserie für Innovationsmanagerinnen und Manager, sowie ein Round Table zu Edge und Serverless Computing statt. Sechs Wochen später war schon der Lockdown und direkter Wechsel ins Homeoffice. Das fiel uns vergleichsweise leicht: Zum einen fördert Zühlke Österreich als Teil einer weltweit agierenden Gruppe interdisziplinäres Arbeiten über Standorte und Zeitzonen hinweg und hatte sowohl das Mindset als auch die Infrastruktur auf Heimarbeit bereits davor angepasst. Zum anderen bringe ich auch Erfahrung in der Führung von virtuellen Teams mit. Als Kommunikatorin ist es mir besonders wichtig, die sozialen Implikationen nicht außer Acht zu lassen. Von der gemeinsamen Kaffeepause über Workshops bis zu Meetingkultur im Allgemeinen kann, unterstützt durch moderne Tools und Technologien, viel für den virtuellen Raum adaptiert werden. Unsere HR hat in dieser Zeit viel Wert auf ein gutes virtuelles Onboarding gelegt. Ich habe nach drei Monaten Kolleginnen und Kollegen, die während Corona zu Zühlke gestoßen sind, das erste Mal in persona im Büro getroffen und hatte das Gefühl, sie bereits gut zu kennen. Für den eigenen Tagesablauf im Homeoffice sind mir klare Strukturen, bewusste Pausen und eine transparente Abgrenzung zwischen Work und Life wichtig. Die Flexibilität kommt mir als Mama zugute: Der Tagesablauf lässt zu, dass ich auch einmal früher aufhöre und später noch eine Stunde anhänge. Meine Tipps zum Berufsalltag im Homeoffice gebe ich gerne in Podcasts und Co. weiter, damit sie anderen helfen, für die die Situation noch neu und besonders fordernd ist.
LEADERSNET: Worauf sollte man dabei achten? Wie arbeitet man am Besten zusammen?
Brandstetter: Regelmäßige Abstimmungen und klare, transparente Kommunikation und Dokumentation sind entscheidend. Ich arbeite schon lange und gerne mit Kollaborations- und Produktivitätstools, die dabei unterstützen. Tools allein helfen natürlich nicht, das Mindset ist wichtig. Ich darf nicht erwarten, meinen Arbeitsalltag aus dem Büro 1:1 remote zu überführen, ich muss klug adaptieren. Wenn die Bandbreite es erlaubt, empfehle ich, Calls mit Video zu führen, um Mimik und Gestik mitzutransportieren.
Generell bin ich ein Fan von kürzeren, produktiven Meetings, das gilt insbesondere für den virtuellen Raum. Eine klare Agenda und ein definiertes Ziel und Zeitmanagement gehören hier für mich zu den essenziellen Bestandteilen – alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen mit einem klaren Verständnis über (vorläufige) Ergebnisse, eventuelle weitere Schritte und eigene To-Do’s hinaus gehen. Führung heißt für mich auch, diese Klarheit zu schaffen und für eine gesunde und produktive Arbeitsatmosphäre unter meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sorgen.
Die mentale Belastung durch den Lockdown haben wir unternehmensweit mit Coaching-Angeboten und Workshops, regelmäßigen offenen Managementsprechstunden und vielen virtuellen Aktivitäten, vom gemeinsamen virtuellen Kochen bis zum Yoga, abgefangen. Authentische und ehrliche interne Kommunikation war hier der Schlüssel. Alle Schritte und Maßnahmen seitens des Managements wurden tagesaktuell und transparent kommuniziert. Das schafft Vertrauen und Sicherheit. Das Stimmungsbild haben wir zusätzlich in wöchentlichen anonymen Umfragen erhoben, um auf Bedürfnisse eingehen zu können.
LEADERSNET: Gibt es einen Bereich des Marketings, der selbst noch Potenzial bei der Digitalisierung hat?
Brandstetter: Auch im Marketing ist die digitale Transformation oft noch ein Lippenbekenntnis. Von der Personalisierung über Automatisierung bis hin zum vollständigen Aufbrechen von Silos: Neue Technologien sind noch nicht im Daily Business angekommen. Oft fehlt auch noch konkrete Zielsetzung und Erfolgsmessung. Digitalisierung wird eher für Umsatz, als zur Effizienzsteigerung eingesetzt, dabei ist gerade in Zeiten der Ressourcenverknappung auch zweiteres für den Gesamterfolg wichtig. Die vielgerühmte Customer Experience ist zwar mittlerweile als Begriff etabliert, da ist aber noch viel Luft nach oben. Besonders in der Eventbranche hat der komplette Wechsel in das Digitale noch nicht so funktioniert, sodass die menschliche Komponente kompensiert wird. Sie fehlt vielerorts und dadurch auch die Akzeptanz seitens des Publikums. Zumindest Hybrid-Events sehe ich aber als neue Normalität, da gibt es noch einiges zu tun, um sie nicht als „Krücke“, sondern vollwertige Maßnahme zu etablieren.
LEADERSNET: Was lernen Sie für Ihr Marketing aus der Krise? Welche Learnings können Marketer aus der Krise ziehen?
Brandstetter: Marketing und Kommunikation sind oft als erstes von Budgetkürzungen betroffen, obwohl gerade in Krisenzeiten diese Abteilungen noch wichtiger sind. Hier habe ich einen Shift feststellen können, das Verständnis für digitale Maßnahmen ist durchwegs gestiegen, „Social Selling“ und Co. Sind auf einmal in aller Munde. Die Silos aus Marketing und Vertrieb, gegen die wir schon so lange ankämpfen, sind in meinen Augen deutlich reduziert worden, weil plötzlich alle an einem Strang ziehen mussten. In der Krise sind auch wir Marketer und KommunikatorInnen untereinander noch enger zusammengerückt. Branchenverbände, von MCÖ bis ÖMG und DMVÖ haben gemeinsame Online-Events veranstaltet, der Austausch unter Peers wurde generell intensiviert. Es tut gut, diese „Wir sitzen im gleichen Boot“- Stimmung so positiv genutzt zu sehen und gemeinsam Wege aus der Krise zu suchen und zu finden. Ich glaube, die Fürsprecherinnen und Fürsprecher der Digitalisierung wurden quer durch Branchen und Unternehmen gestärkt und oftmals endlich ernst genommen, während Digitalisierungsverweigerern der Wind aus den Segeln genommen wurde.
Das kreative Potential, das ich bei KMUs genau wie bei großen Corporates gesehen habe, die teilweise um ihre Existenz kämpfen mussten, war riesig. Ich wünsche mir, dass wir für die „neue Normalität“ viel von dem positiven Drive und der Lösungsorientiertheit mitnehmen werden.
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