- Wirtschaftliche Leistungslücke der Top-40-Banken in Europa liegt bei mehr als 8%
- Fokusbereiche für strategische Neuausrichtung sind vor allem Kosten- und Ertragsoptimierung, Technologie und ESG
- Nachhaltigkeit muss für Banken zentraler Angelpunkt ihres zukünftigen Geschäftsmodells werden
Durch ihre Erfahrungen aus der letzten Finanzkrise und entsprechende Risikovorsorge konnten europäische Banken die heiße Phase der Covid-19-Pandemie erfolgreich meistern. Dabei haben auch staatliche Eingriffe und eine Reihe von Sondermaßnahmen der Zentralbanken geholfen. Zeit sich auszuruhen, bleibt jedoch nicht. Um langfristig gegenüber der internationalen Konkurrenz bestehen zu können, ist eine tiefgreifende Neuausrichtung dringend erforderlich, wie die aktuelle Studie „Transforming European Banks“ von PwC und Strategy&, der Strategieberatung von PwC, zeigt.
Das aktuelle europäische Bankenumfeld wird durch boomende Märkte, eine niedrige Anzahl an Kreditausfällen und zudem durch einmalige Effekte wie die begünstigten Finanzierungsbedingungen (Stichwort: TLTRO) seitens der EZB befeuert. Die positiven Ergebnisse des EZB-Stresstests trügen das Bild, da die wirkliche Herausforderung nicht im makroökonomischen Umfeld, sondern in den zu transformierenden Geschäftsmodellen der Banken liegt. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis europäischer Banken liegt mit 0,6 bis 0,8 deutlich geringer im Vergleich zu Akteuren in den USA und Asien. Das bedeutet für europäische Institute ein erhebliches ungehobenes Wertpotenzial: Mit einer Annäherung an das Niveau der US-Banken könnte die Marktkapitalisierung börsennotierter europäischer Banken um bis zu 600 Mrd. Euro steigen.
Wirtschaftliche Leistungslücke der Top-Banken (global)
Top-40 Banken (Europa) 2020 | Top-18 Banken (US) 2020 | Top-68 Banken (Asien-Pazifik) 2020 | |
Return on Equity | 4,4% | 7,8% | 9,8% |
Cost of Equity | 12,8% | 10,8% | 10,0% |
wirtschaftliche Leistungslücke* | -8,4% | -3,0% | -0,2% |
Europäische Banken müssen schnellstmöglich beginnen, die seit langem klaffende Lücke zwischen ihren Erträgen und den Kapitalkosten zu schließen, indem sie insbesondere ihr Aufwand-Ertrags-Verhältnis (cost-to-income ratio, CIR) durch bessere Skalierungsmöglichkeiten optimieren. Dies kann durch Fusionen erleichtert werden. Bei einer größeren konsolidierten Einheit lassen sich auch dringend erforderliche Investitionen in die technologische Neugestaltung spürbar leichter tragen. Denn BigTech-Unternehmen und kleinere FinTechs haben den etablierten Banken bereits erhebliche Marktanteile abgenommen. Um die eigenen Plattformen weiter zu digitalisieren und die IT-Systeme zu modernisieren, sollten Banken ihr Geschäft mithilfe des Einsatzes von Clouds flexibler, sicherer und vor allem skalierbar machen. Durch schlankere und datenreiche IT-Plattformen können außerdem die Kundenanforderungen besser antizipiert werden, um maßgeschneiderte und hochgradig relevante Dienstleistungen anzubieten.
„Europäische Banken sollten einen radikalen Umbau ihrer Geschäftsmodelle anstreben. Das bedeutet zum einen, starken Instituten wieder zu mehr Akzeptanz zu verhelfen. Mit besser skalierbaren Plattformen können Banken mehr Geschäft zu niedrigeren Kosten realisieren. Gleichzeitig gehört zur umfassenden Neuausrichtung des Geschäftsmodells auch, das Thema Nachhaltigkeit konsequent in den Fokus zu nehmen. Banken sollten ESG nicht nur aufgrund des regulatorischen Drucks als Hebel erkennen, um sich global an die Spitze der Bewegung zu setzen und dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Instituten aus den USA und Asien zu erarbeiten“, kommentiert Dr. Philipp Wackerbeck, Global Head of Financial Services bei Strategy&.
Auf dem Weg der Europäischen Kommission zur angestrebten Klimaneutralität bis 2050 kommt den Banken der Eurozone eine wichtige Schlüsselrolle als Finanzintermediäre zu, diesen Übergang aktiv mitzugestalten. Sie finanzieren die Nachhaltigkeit ihrer Kunden und sind somit unmittelbar an der Erreichung der Klimaziele beteiligt. Ein flexibles Technologiesystem ist eine wesentliche Voraussetzung für Banken, um die kommende Welle von ESG-Anforderungen seitens der Stakeholder zu erfüllen und für ihre Kunden neue, grüne Produkte zu entwickeln – neben ihrer eigenen ESG-Neuausrichtung.
„Im Angesicht der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen sind Führungskräfte gut beraten, ESG zum Kernprinzip ihrer strategischen Überlegungen zu machen. Eine nachhaltige Strategie sollte dabei Klimafaktoren sowie soziale und Governance-Prioritäten gleichermaßen mit einbeziehen. Für die Integration von Nachhaltigkeitszielen in die Geschäftsstrategie und die Unternehmenskultur gehören neben der Festlegung klarer KPIs auch das systematische Erfassen und Auswerten von ESG-Daten zur fundierten Evaluation der strategischen Meilensteine und eine transparente Kommunikation der Erfolge an die relevanten Stakeholdergruppen“, erläutert Dr. Peter Gassmann, Global Leader von Strategy& und globaler ESG-Leader bei PwC.
Die Folgen der Pandemiebekämpfung haben sich in ganz Europa höchst unterschiedlich auf die einzelnen Wirtschaftssektoren ausgewirkt. Steigende Kosten und asymmetrische Zahlungsausfälle drohen die ohnehin angeschlagene Rentabilität der Geldinstitute weiter zu schmälern und verbleibende Kapitalpuffer aufzuzehren. Um ihre Bilanzen zu schützen, müssen Banken ihre Risikobereitschaft in verschiedenen Sektoren und einzelnen Assetklassen neu bewerten. Gleichzeitig dürfen sie damit nicht ihre Flexibilität bei der Kreditvergabe einschränken, insbesondere bei der Finanzierung von innovativen Geschäftsmodellen. Hier intensiviert sich bereits der Wettbewerb zwischen Banken und alternativen Kapitalgebern wie der Kreditfondsbranche.
Nach den aktuellen Berechnungen von PwC und Strategy& ließen sich die operativen Kosten von Banken innerhalb von drei bis vier Jahren um bis zu 40% reduzieren, wobei die meisten Ergebnisse bereits in den ersten zwei bis drei Jahren erzielt werden können: Kurzfristig durch taktische und schnell umsetzbare Maßnahmen (5-10%), mittelfristig durch die selektive Straffung des Geschäftsmodells zur sukzessiven Steigerung der Profitabilität einzelner Geschäftszweige (15-20%) und langfristig durch radikale Neukonzeptionierung des Geschäftsmodells (30-40%).
„Der Weg aus der strukturellen Abhängigkeit von Zinsmargen liegt in der Umverteilung knapper Ressourcen auf profitable Segmente und der nachhaltigen Verbesserung der Eigenkapitalrendite. Das erhöht gleichzeitig die Erfolgschancen bei wichtigen strategischen Fusionen“, schließt Roland Schöbel, Leiter Financial Services bei PwC Österreich. „Der neue Leitfaden der EZB zur Vereinfachung von Konsolidierungen macht Zusammenschlüsse deutlich attraktiver. So können die Teilnehmer auf dem traditionell stark segmentierten europäischen Bankenmarkt in Zukunft durch mehr Eigengewicht internationalen Wettbewerbern mit erhöhter Resilienz begegnen.“
Die vollständigen Ergebnisse der Studie „Transforming European Banks“ finden Sie: hier