Jedes Jahr im Sommer treffen sich Leitbetriebe aus unterschiedlichen Branchen zum proaktiven Austausch aktueller arbeits- und gesellschaftspolitischer Themen. Am ersten Tag widmeten sich die teilnehmenden Leitbetriebe in gemeinsamen Workshops und bei einem hochkarätigen Vortrag der Arbeitsmarktexpertin Mag. Petra Draxl (Vorständin AMS Österreich) den Herausforderungen am Arbeitsmarkt. Eine Zusammenfassung:
Der österreichische Arbeitsmarkt – Situation & Prognosen
Trotz wirtschaftlich schwieriger Situation haben wir mit einer Arbeitslosenquote von rund 6,2% (Stand Juni 2024) derzeit einen robusten Arbeitsmarkt. Die Prognos für das nächste Jahr fällt eher verhalten aus. Es wird 2025 mit einer Arbeitslosenquote von rund 6,6% gerechnet.
Interessant in diesem Zusammenanhang ist auch die Erwerbspersonenprognose (=Arbeitskräftepotential) bis 2050. Demnach ist Wien mit +9,8% das am stärksten wachsendes Bundesland, wohingegen Kärnten mit einem Minus von 14% weniger Erwerbspersonen im Alter von 15 bis 64 Jahren zur Verfügung stehen. Die demografische Entwicklung zeigt in allen Bundesländern – bis auf Wien – eine rückläufige Anzahl erwerbsfähiger Personen. Diese Tendenz spiegelt sich in ganz Europa wider.
Ein ebenso auffälliger Trend ist die gestiegene Teilzeitquote. Obwohl insgesamt mehr Menschen arbeiten, sinkt gleichzeitig die Anzahl der Stunden– sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Als Grund wird in erster Linie die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Erwachsenen genannt. Darüber hinaus werden auch andere Gründe angeführt, z.B. keine Vollzeittätigkeit gewünscht oder eine laufende Aus- und Weiterbildung.
Aktuelle Herausforderungen & Lösungsstrategien
In Österreich besteht ein großes Potential an Arbeitskräften, das durch verschiedene Maßnahmen aktiviert werden kann. Eine davon ist die Ansprache der „stillen Reserven“ (hier vor allem Arbeitslose und Frauen).
Besonders durch den Ausbau der Ganztageskinderbetreuung können mehr (weibliche) Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt gebracht bzw. die Zahl der Arbeitsstunden gesteigert werden. Menschen länger im Betrieb zu halten ist ebenso eine gute Strategie, um das Arbeitspotential im Unternehmen nicht zu verlieren. Auch in Ausbildung und Schulung zu investieren, lohnt sich langfristig. Das höchste Arbeitslosenrisiko ergibt sich für Menschen, die über keinen über die Pflichtschule hinausgehenden Bildungsabschluss verfügen.
Zudem sollten wir uns auf mehr Menschen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft und Diversität in Teams (Vielfalt) in der Arbeitswelt einstellen. Hier gilt es, das Potential der EU bzw. Drittstaaten zu nutzen. Besonders im Tourismus ist die Zahl der unselbstständig Aktivbeschäftigten mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft um 57% gestiegen.
Bei den beim AMS vorgemerkten Konventionsflüchtlingen und subsidiären Schutzberechtigten zeigt sich eine ungleiche Verteilung in Österreich. 75% befinden sich demnach in Wien. Hier braucht es bessere Strategien und Strukturen, die sich auch regional umsetzen lassen.
Darüber hinaus lohnt es sich, in die Gesundheit der Mitarbeitenden zu investieren (etwa durch Präventionsmaßnahmen und betriebliche Gesundheitsförderung), um die steigende Anzahl an psychischen Krankheiten und Krankenständen zu reduzieren.
Weitere Herausforderungen, aber auch Chancen ergeben sich durch die Digitalisierung des Arbeitsmarktes sowie das vermehrte Angebot von Green Jobs und klimarelevanten Berufen. Jobprofile werden sich ändern und in beiden Bereichen mehr Fachkräfte benötigt.
(Fachlicher Input von Mag. Petra Draxl, Vorständin AMS Österreich).
Unternehmersicht: Maßnahmen in den Leitbetrieben
Im Praxisteil des ersten Performance Tages stimmten die Teilnehmer darüber ab, welche Themen in den Leitbetrieben derzeit am dringlichsten behandelt gehören.
Platz 1: Mindset zur Arbeit muss sich ändern
Beim der Einstellung zur Arbeit sehen die Teilnehmer den höchsten Handlungsbedarf. Als mögliche Strategien nennen sie Erfolge feiern und jene hervorzuheben, die über dem Durchschnitt Leistung erbringen. Eine weitere Strategie kann sein, bereits in der Schule anzusetzen z.B. durch berufspraktische Tage, Praktika und Traineeprogramm erste Einblicke in die Arbeit zu bieten, ein positives Image zu schaffen und Karrierepfade aufzuzeigen. Dabei gilt es auch, die Eltern mit ins Boot zu holen, da diese meistens großen Einfluss auf den Berufsweg der Kinder haben. Eine gelebte Fehlerkultur und über positive Erlebnisse sprechen hilft ebenso, das Image der Arbeit zu heben.
Wenn Mitarbeitende mitgestalten dürfen und Sinn in ihrer Tätigkeit erkennen, ist die Wahrscheinlichkeit von Zufriedenheit und damit die positive Bewertung von Arbeit größer. Mitarbeitende, aber auch Führungskräfte können außerdem als „Role Model“ fungieren, Erfolgsgeschichten erzählen und diese nach innen und außen tragen.
Platz 2: Vereinbarkeit Familie & Beruf fördern
Um Familie und Beruf optimal zu vereinbaren, sind flexible Arbeitszeiten nötig, wobei die Flexibilität von beiden Seiten gegeben sein sollte. Betriebskindergärten (wo möglich) können Eltern zusätzlich entlasten. Es bietet sich – gerade in den Sommermonaten – die Möglichkeit an, Kinder mit in die Arbeit zu nehmen und ihnen dort eine Beschäftigung zu bieten (z.B. im Besprechungszimmer mit einer Betreuungsperson). Geteilte Führungsspitzen führen ebenso zu mehr Flexibilität und einer besseren Vereinbarkeit. Auch das Angebot einer Flying Nanny, die Organisation einer Kinderbetreuung über die Gemeinde oder die Möglichkeit einer Workation (halbe Arbeitszeit z.B. im Sommerhaus) können die Vereinbarkeit fördern.
Platz 3: Generationsübergreifende Zusammenarbeit
Um das Arbeiten zwischen den verschiedenen Altersgruppen zu begünstigen helfen firmeninterne Projekte, Mentoring-Programm und ein gezielter Knowhowtransfer. Gemeinsames Arbeiten fördert auch den Zusammenhalt im Team und wirkt für beide Seiten motivierend. Bewährt hat sich laut Teilnehmer auch ein Revers Mentoring-Programm, bei dem junge Menschen als Mentoren für ältere Arbeitnehmer fungieren.