seit Jahren versuchen Politik und Interessenvertreter, der Verödung von Stadt- und Ortskernen entgegenzuwirken. Die räumlichen Möglichkeiten in Zentren sind durch zahlreiche Restriktionen limitiert. Kleine selbständige Lebensmittelhändler als Nahversorger, aber auch Gastronomiebetriebe sind oftmals die letzten Frequenzbringer in den ländlichen Regionen Österreichs. Vielerorts hat sich das gesellschaftliche Leben bereits auf Tankstellen am Stadtrand verlagert.
Gerade jetzt in der heißesten Phase der Coronakrise sind tausende heimische Betriebe auf effiziente Unterstützung von staatlicher Seite angewiesen, um die Folgen einigermaßen bewältigen zu können. Die vom Umweltministerium geplante Einführung eines Einwegpfandsystems kommt daher zur Unzeit. Kaum ein kleiner oder mittelständischer Betrieb könnte jetzt die resultierende finanzielle Mehrbelastung von durchschnittlich 10.500 Euro pro Jahr stemmen, das wäre volkswirtschaftlicher Wahnsinn.
Fakt 1: Zwangspfand reduziert Zahl der selbständigen Kaufleute am Land
„Die Einführung eines Einwegpfandsystems wäre für selbstständige Kaufleute mit einem sehr hohen Investitionsaufwand verbunden, der kaum finanzierbar wäre. Es würden Mehrkosten für die Einführung und Installation des neuen Systems sowie auch für den erhöhten Personalaufwand entstehen. Auch würde die erforderliche Bereitstellung von zusätzlichen Flächen für Automaten ein Platzproblem im Lager darstellen. Zusätzlich kommt es dadurch auch zu einem logistischen Mehraufwand. Diese zusätzlichen Belastungen machen es Nahversorgern im ländlichen Bereich noch schwerer, was bedeutet, dass in diesen Regionen die Anzahl der selbstständigen Kaufleute weiter zurückgehen würde. Wir sind daher klar gegen die Einführung des Einwegpfandsystems und setzen uns für eine freiwillige Ausweitung von Mehrweg ein“, bestätigt Unimarkt-Geschäftsführer Andreas Haider.
Hinzu kommt: Die angekündigte Beausnahmung von Händlern mit Geschäftsflächen unter 200 m2 bzw. unter 400 m2 würde nur eine Diskriminierung hin zum Verbraucher bewirken. Denn auch wenn der Gesetzgeber für kleine Händler keine verpflichtenden Pfandautomaten vorschreibt und nur eine manuelle Rücknahme jene Gebinde zu erfolgen hat, die vom betreffenden Händler selbst auch verkauft werden, würden die Konsumenten trotzdem die Annahme aller Gebinde erwarten. „Wer glaubt, dass die Menschen dennoch beim Greissler ums Eck einkaufen gehen und beim Supermarkt nur vorbeischauen, um die Pfandflaschen abzugeben, der täuscht sich gewaltig. Vielmehr bringt das Pfandsystem die Kleinsten in größte Bedrängnis. Frequenzrückgänge sind die Konsequenz – mit allen negativen Folgen für die Ortskerne. Auch die Littering-Problematik wird aufgrund fehlender Rücknahmestellen nicht gelöst“, erklärt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.
Ohne Pfand-Automat befürchten kleine Einzelhändler zu Recht eine Abwanderung ihrer Kundschaft. Die erforderlichen Investitionen in Automaten sind für kleine Händler mit wenig Frequenz nicht wirtschaftlich darstellbar. Erst ab mindestens 500 Gebinden pro Tag rentiert sich ein Leergut-Automat, wie man aus internationalen Erfahrungswerten in Kroatien oder Deutschland ableiten kann. Ein Zwangspfand führt also unweigerlich zu einem Verlust kleiner Händler und somit der Nahversorgung vor allem in strukturschwachen ländlichen Gebieten.
„Die Anschaffung und Wartung von Rücknahme-Automaten stellt ein großes finanzielles Problem für den Einzelhandel dar. Besonders für kleinere Standorte ist ein solcher Automat kaum finanzierbar. Die dafür erforderliche Bestellung von zusätzlichen Flächen stellt ebenfalls ein großes Problem dar, auch für meinen Standort. Selbiges gilt für die Pressen, die für das System erforderlich sind. Für die Zwischenlagerung der Flaschen wird ebenfalls am Standort Platz benötigt. Sämtliche anfallende Kosten müssten an den Kunden weitergegeben werden. Nachdem langfristig und vor dem Hintergrund der Corona-Krise nicht absehbar ist, wie sich die Kaufkraft der Kunden entwickelt, wären zusätzliche Preiserhöhungen enorm abschreckend. Neue Studien bewerten überdies auch die CO2-Bilanz für die Weiterverarbeitung und die Menge der dafür erforderlichen Rohstoffe äußerst schlecht“, sagt Unimarkt-Franchisepartner Diethard Muhm.
Fakt 2: Zwangspfand kann Littering-Problematik nicht lösen
Der heimische Handel bekennt sich ausdrücklich zur Nachhaltigkeit und dafür, die Umwelt in jeglicher Hinsicht zu schützen. Die Österreicher sammeln bereits enorm viel Plastik und führen dies dem Recycling Prozess zu. Ein einheitliches Sammelsystem in ganz Österreich würde problemlos die geforderte EU Quote von 90% im Jahr 2029 erfüllen. „Ich bin gegen ein Pfandsystem, das am Rücken und auf Kosten der Lebensmittelhändler eingeführt werden soll. Wenn Frau Bundesministerin Gewessler meint, dass alles ersetzt wird mit den Entschädigungen pro gesammelte Flasche, entbehrt dies jeder Berechnung und jeder Statistik, da sie weder die Kosten noch die Situation der kleinen Händler kennt. Bisher hat sie leider auch kein Angebot zu einer Besichtigung angenommen. Die Anschaffungskosten eines Leergutautomaten liegen zwischen 25.000 und 50.000 Euro. Die kleinen Händler haben schlichtweg keinen Platz für einen Automaten, da oft das ganze Lager nur 50 m2 hat“, sagt auch Nah&Frisch-Kaufmann Wolfgang Benischko.
Fakt 3: Regionalinitiativen werden durch Zwangspfand konterkariert
„Es gibt meist mehrere Wege, ein Problem zu lösen. In diesem Fall geht es im Kern um unsere Umwelt. Ja, wir wollen nachhaltiger wirtschaften, für zukünftige Generationen. Um den besten Weg dafür zu wählen, ist die Einbeziehung aller Beteiligten weitsichtig und zweckmäßig. Wir sprechen vielen Einzelhändlern, selbstständigen Kaufleuten und Franchisepartnern und kleinstrukturierten Vermarktern aus der Seele, wenn wir die geplante Novelle zum AWG in Frage stellen. Die Forcierung der regionalen Strukturen wird negativ beeinträchtigt. Die Ausnahme der kleinen Flächen ist kein Vorteil, sondern ein Nachteil, da die Frequenzen leiden werden“, ist TOP-TEAM Geschäftsführer und TRANSGOURMET-Geschäftsleiter Manuel Hofer überzeugt.
Die aktuellen Regierungsinitiativen zur Unterstützung der Regionalität werden durch diese geplante Regierungsmaßnahme konterkariert. Wir müssen daher alle Effekte dieses komplexen Systems berücksichtigen, die gesamte Abwicklung durchdenken und alternative Lösungsvarianten – mit dem gleichen oder besseren Ergebnis für unsere Umwelt – entwickeln. „Wir bieten unsere Erfahrungen und Kenntnisse gerne an. Eine der Fragen, die dabei auch zu behandeln sein wird, ist die nach der Abwicklung durch die Gastronomie und Großhändler. Für den zweistufigen Handel und die Gastronomie, die wir in großem Umfang beliefern, sind uns bis dato keine Erwartungen bekannt. Wir hoffen, auf ein Einlenken im Sinne der Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit“, appelliert Manuel Hofer an die heimische Politik.
Fakt 4: Alle Händler und Mehrheit der Bevölkerung gegen Zwangspfand
„Die Pfand-Diskussion und damit die Existenz der Nahversorger unseres wunderschönen Landes darf nicht Spielball eines politischen Abtausches werden, dazu ist das Thema zu wichtig. Österreich sammelt ja bereits sehr erfolgreich in acht Bundesländern Plastikflaschen. Ein Pfand würde, außer in Wien, kaum Verbesserung bringen, aber Unsummen kosten. Wir müssen in Wien jene Potenziale heben, die in anderen Bundesländern bereits erfolgreich gelebt werden. Dann klappts auch mit den EU-Quoten“, so die Händler einhellig.
Daher appellieren die Händler Österreichs an die Bundesregierung, allen voran an Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bundesministerin Leonore Gewessler, diese Entscheidung für ein Zwangspfand nicht zu treffen, sondern auf den Ausbau des ganzheitlichen Kreislaufwirtschaftsmodells zu setzen. Damit könnten wir die ambitionierten EU-Recycling- und Getrenntsammelziele wesentlich effektiver und auch um mindestens 60 Millionen Euro kostengünstiger erreichen – und das ohne die Konsumenten erneut zur Kasse zu bitten.
„Der Handelsverband vertritt nicht nur die größten österreichischen Handelsunternehmen, sondern auch mehr als 3.500 KMU-Händler. Sie lehnen ein Zwangspfand auf Einwegflaschen geschlossen und vehement ab. Mit 54 Prozent ist auch die absolute Mehrheit der österreichischen Bevölkerung klar dagegen. Das besagt übrigens keine Studie des Handelsverbandes, sondern eine Erhebung von Greenpeace“, so Rainer Will abschließend.