Julia Leeb, Partnerin bei BDO, begleitet seit vielen Jahren große Unternehmen in Sachen Finanzierungen und Corporate Finance. Im Interview erklärt sie, welche Maßnahmen Unternehmen über die staatlichen Förderungen hinaus setzen sollten und warum sie trotz der aktuellen Krise optimistisch in die Zukunft blickt.
Frau Leeb, was können Unternehmerinnen und Unternehmer tun, um sich jetzt in der Krise möglichst gut aufzustellen?
Weiterhin bleibt unklar, wie lange uns die aktuellen Rahmenbedingungen begleiten werden. Auch gesunde Unternehmen sind daher gut beraten, sich einerseits für eine längere Durststrecke und andererseits für die „Zeit danach“ zu rüsten.
Die unmittelbaren Sofortmaßnahmen – die Inanspruchnahme aller möglichen Fördermaßnahmen – sind richtigerweise bereits von den meisten betroffenen Betrieben beantragt oder in Anspruch genommen worden. Das A&O für die Überlebensfähigkeit der Betriebe ist es allerdings, jetzt schon möglichst vorausschauend zu planen und so die künftige finanzielle Stabilität sicherzustellen.
Jede Krise hat in der Vergangenheit zu generellen Effizienzsteigerungsschüben in der Industrie geführt. Denn der stärkere Wettbewerbs- und Kostendruck sorgt für die raschere Umsetzung von Effizienzsteigerungs- und Kostensenkungsprojekten, Überlegungen zu Rationalisierung und das Vorziehen von sinnvollen Investitionen, die das Unternehmen zukunftsfitter machen. Diese der Krise innewohnende Dynamik birgt enorme Chancen für viele Unternehmen, um trotz aller wirtschaftlichen Einschränkungen infolge von Corona gestärkt in die Zukunft zu starten und sich noch mehr vom jeweiligen Mitbewerb abzuheben. Gleichzeitig führt eine Krise auch zu strukturellen Bereinigungen, da Unternehmen, die bereits vor der Krise nicht mehr wirtschaftlich gesund waren bzw. deren Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert, vom Markt verschwinden. Das kann wiederum Chancen für die Unternehmen bedeuten, die als Gewinner aus der Krise hervorgehen: Unternehmen oder Unternehmensanteile können zum Verkauf stehen und damit Zugang zu weiteren Zielgruppen, ergänzender Technologie, neuen Standorten und sonstigen Wachstumsmöglichkeiten bieten.
Das setzt jedoch einen gewissen finanziellen Handlungsspielraum voraus. Wie kann dieser sichergestellt werden?
Je dicker die Eigenkapitaldecke, desto größer das Durchhaltevermögen – das hat uns diese Krise wieder eindrücklich vor Augen geführt. Zu viel Eigenkapital birgt allerdings das Risiko, nicht genügend Hebel zu erzeugen und somit nicht effizient zu sein. Den richtigen Mix in der Kapitalstruktur zu finden ist daher essenziell. Darüber hinaus sollte die Liquiditätssituation langfristig abgesichert werden. Eine sehr transparente und offene Kommunikation mit der Hausbank fördert die langfristige Beziehung. Je detaillierter und regelmäßiger das Reporting ausfällt, desto tiefer wird das Vertrauensverhältnis und somit auch die Chance auf positive Finanzierungszusagen
Bestimmte Risiken, vor allem in Bezug auf Rohstoffpreis und Kursschwankungen bei den Währungen, sollte man soweit wie möglich absichern. Auch wenn die meisten Prognosen ein anhaltend niedriges Zinsniveau vorhersagen: Planungssicherheit bei den Finanzierungskosten nimmt unnötige und vermeidbare Risiken aus dem Unternehmen. Variable Kredite können abgesichert oder in Fixzinsen gedreht werden. Zinsen für langfristige Kredite mit einer anfänglichen Fix- und späteren variablen Verzinsung können bereits jetzt für die gesamte Laufzeit festgelegt werden.
Nach dem Auslaufen der Maßnahmen des Schutzschirms rechnen wir mit einigen Insolvenzen. Ob es zur vielgefürchteten Insolvenzwelle kommt, bleibt abzuwarten. Relativ sicher kann man jedoch davon ausgehen, dass die Banken dann restriktiver in Sachen Kreditvergabe oder selektiver in Bezug auf die unterschiedlichen Industriebranchen vorgehen werden. Einen Sockelbetrag von laufend benötigten kurzfristigen Betriebsmittelfinanzierungen mithilfe einer langfristigen Finanzierung zu schaffen, bietet Schutz vor diesen zukünftigen Ungewissheiten.
Gerade die aktuelle Situation mit niedrigem Zinsniveau bietet eine optimale Gelegenheit, gemietete Vermögensgegenstände zu erwerben – und so unabhängig gegenüber z.B. Mietzinserhöhungen zu sein, die in einer schwächeren Phase schwerer verkraftbar sein könnten. Auch über Alternativen zur klassischen Bankfinanzierung lohnt es sich jetzt nachzudenken. Alternative Finanzierungsinstrumente bringen unterschiedliche Vorteile finanzieller sowie organisatorischer Art und können darüber hinaus zur Optimierung der Bilanz genutzt werden.
Last but not least sollte man die Bonität von Kunden, Geschäftspartnern und Lieferanten stets im Blick behalten. Zur Absicherung und zur Vermeidung von lästigem administrativem Aufwand sind Versicherungen gegen Zahlungsausfälle empfehlenswert. Und bitte vergessen Sie nicht: Auch Ihre Kundinnen und Kunden beobachten Ihre Bonität – behalten Sie Ihr Rating im Blick und setzen Sie gegebenenfalls Maßnahmen, um dieses zu verbessern.
Wie sehen die konkreten Schritte aus, die Unternehmen jetzt setzen sollten, um für die Zeit nach Corona gut aufgestellt zu sein?
Zunächst einmal ist es wichtig, die eigene Position sehr gut zu kennen. Eine Analyse der eigenen Stärken und Schwächen ist essenziell, denn nur wer seine möglichen Risiken kennt, kann präventiv absichernde Maßnahmen setzen. Was die internen Abläufe betrifft, sollten ein laufendes Reporting, Monitoring und Controlling der eigenen Kennzahlen selbstverständlich im Geschäftsbetrieb mitlaufen, um aufziehenden Problemen rasch die richtigen Maßnahmen entgegensetzen zu können.
Das externe Pendant dazu stellt die Beobachtung des Umfelds und der Marktentwicklung dar, um das eigene Geschäftsmodell gegebenenfalls adaptieren zu können. Außerdem gilt es, sich möglichst frühzeitig über Innovationen zu informieren und Trends im Auge zu behalten. Die Digitalisierung ist zwar – durch Corona nochmals verstärkt – in aller Munde, wird in den wenigsten Betrieben aber bereits wirklich gelebt, um das Unternehmen und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zukunftsfit zu machen. Ich verstehe, dass alle zukünftigen Entwicklungen momentan noch schwieriger abzuschätzen sind als unter normalen Umständen. Letztendlich braucht es gerade im Hinblick darauf auch schlicht das richtige Gespür und ein gutes Händchen fürs Geschäft – und nach vielen Jahren der Zusammenarbeit mit Österreichs Unternehmerinnen und Unternehmern bin ich der festen Überzeugung, dass sie dieses richtige Gespür haben und auch diese Krise gut überstehen werden.
Weitere Informationen finden Sie unter www.bdo.at/finanzierungsberatung
Link zum Unternehmensprofil: hier