©Deutsche Handelskammer in Österreich

Rückblick „6. Deutsch-Österreichisches Technologieforum 2022“

Das große Ziel: Ökonomie gepaart mit digitali­sierter, klimaneutraler und nachhaltiger Wertschöpfung

Im Zeichen von Klimaschutz und Nachhaltigkeit stand das „6. Deutsch-Österreichische Technologieforum 2022“, das am 28./29. September in Wien unter dem Motto „Transformation.Ökologie.Potenziale.“ gemeinsam mit Fraunhofer Austria veranstaltet wurde. Die Deutsche Handelskammer in Österreich (DHK) brachte wieder Manager und Unternehmer:innen mit Expert:innen aus den Führungsetagen bedeutender deutscher und  österreichischer Unternehmen zusammen, darunter Festo, BASF, Rittal, Kreisel Electric und Phoenix Contact. Mehr als 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer tauschten sich über die globalen Herausforderungen der digitalen Transformation und Klimawandel aus.

Mobilität im Wandel
Die Eröffnungs-Keynote am Auftaktabend hielt Thomas Schmall-von Westerholt, Technikvorstand der Volkswagen AG. Die Mobilitätswelt werde sich bis 2030 fundamental verändern: emissionsfreie E‑Antriebe und voll vernetzte, autonom fahrende Transportmittel – der Wandel ist in der Volkswagen Group Components bereits angekommen. Mit den Bereichen Batterie, Ladeinfrastruktur und Fahrzeugkomponenten realisiert Schmall-von Westerholt wesentliche Teile der strategischen Transformation. „2025 werden wir bereits 50 Prozent unserer Mitarbeiter in der E‑Mobilität einsetzen.“ Wesentlich ist der Faktor Batterie, der noch von asiatischen Anbietern geprägt ist. VW arbeitet an einer Einheitszelle, mit der ab 2025 80 Prozent aller Fahrzeuge bestückt werden sollen. Eine Feststoffzelle mit weniger Gewicht, mehr Reichweite und kürzerer Ladezeit soll der nächste technologische Schritt sein.

Der Forumstag am 29. September 2022 lieferte umfassende Vorträge, wie mit Hilfe modernster industrieller Technologien der Wandel zur klimaneutralen Industrie realisiert werden kann. Eine der zentralen Fragen des Technologieforums war, wie Innovationen von morgen und übermorgen aussehen. „Viele Unternehmen setzen bereits bedeutende Schritte in Richtung Klimaneutralität und Energiewende“, betonte Professor Wilfried Sihn, Geschäftsführer der Fraunhofer Austria Research sowie Moderator des Forums und nannte Festo als Beispiel. „Die wachsende Weltbevölkerung, schwindende Ressourcen und der Klimawandel stellen uns vor existenzielle Herausforderungen. Wir bei Festo arbeiten seit vielen Jahren daran, innovative Lösungen für den effizienten Einsatz von Energie und Ressourcen zu entwickeln – im eigenen Unternehmen ebenso wie bei unseren Kunden“, informierte Christian Österle, Vice President Sustainability und nannte Fortschritte wie die digitale und intelligente Pneumatik, Automatisierungsplattformen und Konzepte zur Energieeinsparung bei der Druckluft. Entwickelt wurde das System der Blue World – dieses veranschaulicht, wie Festo eine Transformation der industriellen Produktion in eine effiziente und klimaschonendere Art der Herstellung anstrebt.

All Electric Society
Der weltweite Energiebedarf dürfte um bis zu 50 Prozent steigen. „Zur Bewältigung des globalen Klimawandel ist eine komplette Umstellung unserer Wirtschaft und Gesellschaft auf CO2 neutrale Energie dringend notwendig“, zeigte Roland Bent, Chief Representative International Standardization bei Phoenix Contact, beim Technologieforum nochmals auf. Die wesentliche und wirklich nachhaltige Quelle dazu ist regenerativ erzeugte Elektrizität. Hier zeigt sich das Zukunftsbild der „All Electric Society“. Es beschreibt eine Welt, in der regenerativ erzeugte elektrische Energie als primäre Hauptenergieform weltweit wirtschaftlich und in ausreichendem Maße zur Verfügung steht. Der Weg dorthin ist geprägt durch den massiven Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung und der durchgängigen und intelligenten Kopplung der Stromnutzung in allen Sektoren unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Dafür braucht es aber v.a. Sektorkopplung. Sektoren müssen leistungstechnisch und kommunikativ miteinander vernetzt werden. „Wir haben heute eine Vielzahl unterschiedlicher technischer Kommunikationssysteme. Die Systeme könnten miteinander arbeiten, es braucht aber ein digitales Abbild aller Systeme, aller Prozesse und aller Komponenten, was neue Ansätze für Steuerungssysteme erfordert.“

Lösung Wasserstoff?
Wasserstoff wird seit längerem als Patentlösung für die Substitution fossiler Brennstoffe in Anwendungen mit hoher Energiedichte diskutiert. Diesen Hype relativierte Univ.-Prof. Karl Rose vom Institut für Elektrizitätswirtschaft und Energieinnovation der TU Graz etwas. „Wo mit erneuerbarem Strom oder Biokraftstoffen kein Auslangen mehr gefunden wird, kann Wasserstoff sicher eine Alternative bilden.“ Oft werde Wasserstoff auch für den Individualverkehr als Lösung genannt, für Univ.-Prof. Rose keine Lösung. Aspekte der Verfügbarkeit, der Herstellungskosten sowie des Transports und der relativen Wirtschaftlichkeit gegenüber anderen Technologien werden kaum oder gar nicht beachtet. Keine Lösung sieht er auch im Beharren der EU auf grünem Wasserstoff. „Wenn Abu Dhabi Wasserstoff produziert, wird das überwiegend blauer sein, der kostenmäßig konkurrenzlos ist.“ Allein auf grünen Wasserstoff zu setzen ist aktuell wirtschaftlich nicht vertretbar. Für die nächsten Jahre erwartet er den verstärkten Einsatz fossiler Materialien, mittel- bis langfristig wird der regenerative Weg erfolgreich beschritten werden, ist sich Univ.-Prof. Karl Rose jedoch sicher.

Plus an Elektrifizierung
Helmut Kastler, Entwicklungsleiter bei Kreisel Electric sprach beim Technologieforum die Batterietechnologie made in Austria an und damit verbundene höchste Anforderungen in Bezug auf Sicherheit, Energiedichte, Leistungsfähigkeit, Lebensdauer und Umwelteinflüsse. „Auf Basis einer eigens entwickelten Batteriemodulplattform mit Direktkühlung gewährleisten wir ein optimales Zusammenspiel aus kurzen Entwicklungszeiten und höchsten Qualitätsanforderungen“, betonte Kastler. Die Direktkühlung zylindrischer Zellen im patentierten Batteriesystem von Kreisel Electric leistet somit einen aktiven Beitrag zur Elektrifizierung. Für Christian Österle ist Automatisierung der Enabler für den industriellen Wandel hin zu Klimaschutz und Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. In den 1950er Jahren hat Festo als erstes Unternehmen in Europa Druckluft in der Automatisierung eingesetzt, heute ist Festo mit über 30.000 Katalogprodukten und 10.000 individuellen Lösungen eines der führenden Unternehmen in der Automatisierungstechnik und beliefert alle Industrien. Als nachhaltiges Unternehmen fährt Festo höchste Bewertungen ein, ab Anfang 2023 sollen alle Produktions- und Logistikstandorte weltweit CO2-neutral sein. Einen Entwicklungsschub für die industrielle Produktion sieht das Unternehmen im Wandel in Richtung einer konsequenten Kreislaufwirtschaft.

Unternehmenszweck Nachhaltigkeit
Die Welt verändert sich in rasantem Tempo. Mehr und dringender denn je braucht es daher Lösungen für eine nachhaltigere Zukunft. „Chemie ist hierbei von zentraler Bedeutung“, zeigte Katja Scharpwinkel, President Region Europe, Middle East & Africa bei BASF, auf. „Wir wollen nicht nur wachsen, wir sehen Nachhaltigkeit als Unternehmenszweck, die großen Themen Klimawandel und Ressourcenknappheit zu bearbeiten.“ In fast allen Lebensbereichen kann Chemie mit innovativen Produkten und Technologien helfen, drängende globale Herausforderungen zu meistern – angefangen beim Klimawandel über den sparsameren Umgang mit Ressourcen bis zur Ernährung der Weltbevölkerung. Neben der Entwicklung von CO2-armen Herstellungsverfahren versucht BASF das Konzept der Kreislaufwirtschaft zu leben – der Lebenszyklus von Produkten soll verlängert, Rohstoffe effizienter eingesetzt werden – und nachhaltige Produkte im Produktportfolio zu verankern. „Bis 2030 wollen wir die CO2-Emissionen um 25 Prozent reduzieren, wir investieren dafür 4 Mrd. EUR“, informierte Katja Scharpwinkel. Für die Produktion von Basischemikalien wie Ethylen und Propylen sollen elektrisch beheizte Steamcracker eingesetzt werden. Die Öfen arbeiten mit 850 Grad, derzeit werden sie noch mit Erdgas betrieben. In Ludwigshafen entsteht eine Demo-Anlage elektrisch beheizter Steamcracker-Öfen. Die im Heizprozess eingesetzten fossilen Brennstoffe werden durch erneuerbaren Strom ersetzt. Die neue Technologie hat das Potenzial, die CO2– Emissionen um bis zu 90 Prozent zu reduzieren. Ab 2025 möchte der Konzern darüber hinaus jährlich rund 250.000 Tonnen recycelte Rohstoffe verwerten. Mit ChemCycling wird aus Kunststoffabfällen der Sekundärrohstoff Pyrolyseöl gewonnen, wodurch fossile Ressourcen teilweise eingespart werden. Der Biokunststoff ecovio ist ein hochwertiger, vollständig kompostierbarer Kunststoff und eignet sich als Bioabfalltüte, als Mulchfolie für den Obst- und Gemüseanbau auf dem Acker hat sich ecovio schon bewährt. Außerdem wird ecovio als Spritzgieß-Variante für kompostierbare Kaffeekapseln und deren aromafeste Umverpackung eingesetzt.

Im Doppelpack
Eine erfolgreiche Zusammenarbeit als Software- und Komponentenhersteller beweisen ePlan und Rittal. „ePlan steht für innovative Softwarelösungen und Cloud-Applikationen in der Elektro- und Automatisierungstechnik und begleitet Kunden bei der Digitalisierung sämtlicher technischer Unternehmensprozesse“, informierte Geschäftsführer Martin Berger. „Wie bleibt man in der digitalisierten Welt wettbewerbsfähig?“ stellte er eine grundsätzliche Frage und lieferte sofort die Antwort: mit efficient engineering, nahtlosen Datenflüssen und automatisierten Prozessen. Digitale Vernetzung ist die entscheidende Maßnahme für den  langfristigen Erfolg. Bei ePlan läuft das unter dem Titel „Ökosystem der industriellen Automatisierung“. Projektpartner Raphael Görner, Executive Vice President BU Energy & Power Solutions, Rittal, sprach den Infinity Loop an, der eine Weiterentwicklung des closed loop – der Kreislaufwirtschaft – darstellt. „Man muss heute an morgen denken, wie Prozesse optimiert, Effizienz gehoben und der Fachkräftemangel behoben werden können. „Dazu muss man in den Kreislauf eingreifen.“ Als Lösung für eine stets aktuelle Maschinen- und Anlagendokumentation verwies Görner auf die digitale Schaltplantasche Rittal ePOCKET, womit Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette beschleunigt werden können.

Blickwinkel Energiewende und Künstliche Intelligenz
Einen geschlossenen Info-Kreislauf bot das Forum mit einem Beitrag von Dorothee Ritz, Geschäftsführerin E.ON Energie, die die digitale Transformation in der Energiewende beleuchtete. Das Future Energy Home von E.ON ist das Ökosystem der Zukunft in Sachen Energie. Es umfasst Photovoltaik, Batteriespeicher, Heizen und Kühlen sowie eMobilität. Alle Geräte im Future Energy Home werden von einem intelligenten Energiemanagementsystem effizient gesteuert, der E.ON Home App.  Priv.-Doz. Fazel Ansari, Gruppenleiter Digitalisierung und Kompetenzmanagement bei Fraunhofer Austria Research, sprach das Thema KI-basiertes Mitarbeiterkompetenzmanagement an. „Der Mangel an digitalen Kompetenzen wird von Unternehmen häufig als eine große, wenn nicht gar als größte Barriere auf dem Weg der digitalen Transformation gesehen.“ Gleichzeitig würden die meisten Unternehmen keine übergeordnete Strategie zur Erhöhung ihrer Kompetenzen im Zuge der aktuellen Integration von Digitalisierungs- und Automatisierungstechnologien verfolgen. Ohne die valide Abschätzung erforderlicher zukünftiger Kompetenzen der MitarbeiterInnen in technischen Bereichen seien zielgerichtete Entwicklungsmaßnahmen aber nicht möglich. „Durch die zielgerichtete, KI-gestützte Nutzung bereits vorhandener Daten aus organisationsinternen und -externen Quellen lassen sich Kompetenzmodelle dynamisieren und Unternehmensdaten der tatsächlichen Kompetenznutzung bei der Lösung betrieblicher Probleme integrieren“, empfahl Priv.-Doz. Ansari zu verstärkter KI im Umgang mit Mitarbeitern.

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