Wiederauferstehung der Luftfahrt: Regionalverkehr wird zuerst abheben

Luftfahrtexperte Peter Malanik blickt beim virtuellen Business Breakfast der American Chamber of Commerce in Austria in die Zukunft der Luftfahrtbranche nach der COVID-19-Krise.

Wien (LCG) – „Die transatlantischen Beziehungen sind stark vom Flugverkehr abhängig. Nicht nur die Direktverbindungen zwischen den Kontinenten, sondern die Verbindungen in die Regionen sind ein Wirtschaftsmotor“, leitet Martin Winkler (Oracle), Präsident der AmCham Austria, in das erste Business Breakfast der US-Handelskammer im Videochat ein. Peter Malanik, Präsident des österreichischen Luftfahrtverbands und Aufsichtsratsvorsitzender des Airport Klagenfurt, gibt am Freitagvormittag einen Ausblick auf die Entwicklungen im weltweiten Luftverkehr.

1.000 Milliarden US-Dollar stehen am Boden

13.500 Flugzeuge, mehr als die Hälfte der weltweiten Flotte, stehen laut Weltverband IATA derzeit am Boden. Der Wert dieser Flugzeuge beläuft sich auf 700 (rund 651,5 Milliarden Euro) bis 1.000 Milliarden US-Dollar (rund 930 Milliarden Euro). 314 Milliarden US-Dollar (rund 292 Milliarden Euro) werden die Verluste der Airline-Branche in diesem Jahr betragen. Die Aktien der US-Airlines sind um rund 34 Prozent gefallen, die der Lufthansa gar um 50 Prozent. Eine erste Erholung sieht die IATA frühestens im dritten Quartal 2020, wobei zuerst der Inlandsverkehr abheben wird. Malanik geht davon aus, dass die Luftfahrt in anderen Teilen der Welt von den Staaten besser unterstützt werden wird, als in der Europäischen Union.

Regionalverkehr: Kleine Flugzeuge, großer Faktor im Luftfahrtgeschäft

„Regionalflughäfen sind das Tor zur Welt“, führt Malanik am Beispiel des Airport Klagenfurt aus, der vom überwiegenden Anteil der Passagiere als Beginn einer weiteren Reise zu internationalen Business-Destinationen genützt wird.

Rund 50 Prozent der Flugpassagiere legen Distanzen unter 500 nautischen Meilen (rund 926 Kilometer) zurück. In Europa sind etwa 900 Regionalflugzeuge unterwegs, die Hälfte davon Jets mit Kapazitäten für bis zu 120 Passagieren. 270 Regionalflughäfen sorgen für ein dichtes Verbindungsnetz, das von rund 60 Regionalfluggesellschaften unterienander und mit den großen Drehscheiben verbunden wird. Diese Flughäfen haben eine wichtige Funktion für das lokale Wirtschaftssystem und begünstigen Betriebsansiedelungen, die gute Verkehrsanbindungen zur Voraussetzung machen.

Die Ära der Neugründungen steht bevor

Die Konsolidierung wird durch den steigenden Kostendruck zu einer Verkleinerung der Flotten führen. Austrian Airlines spricht aktuell von einer Reduktion der Kapazitäten und Maschinen von rund 20 Prozent. Andere Fluggesellschaften werden womöglich auch aus dem Markt ausscheiden.

„Airline-Pleiten reduzieren nicht automatisch die Kapazitäten. Die Maschinen werden von den Leasinggesellschaften sehr schnell an andere Kunden weitergegeben“, führt Malanik aus.

Durch das Überangebot an einsatzbereiten Flugzeugen, die derzeit weltweit gelagert sind, sinken die Werte auch von neuen Flugzeugen. Dadurch steigt der Druck auf den globalen Flugzeugmarkt. Die Bilanzen der Airlines werden durch den sinkenden Wert der bestehenden Flotte ebenfalls deutlich belastet.

„Die Gründung neuer Airlines wird durch die günstigen Maschinenpreise vergleichsweise billig“, ist Malanik überzeugt.

Große Netzwerk-Carrier werden sich auf ihr profitables Kerngeschäft im Langstreckensegment und auf sogenannten Trunk-Routes, das sind die passagierstarken „Rennstrecken“ der Luftfahrt, fokussieren. Die dadurch entstehenden Nischen bieten neue Möglichkeiten für Regionalgesellschaften. Start-up-Airlines starten ohne Belastungen aus der Vergangenheit.

Hochgeschwindigkeitszüge sind im echten Regionalverkehr nicht auf der Überholspur

Regionen brauchen zu den großen Drehkreuzen zwei bis drei tägliche Verbindungen, um an das globale Netzwerk angebunden zu sein. Die Kosten für eine rund 400 Kilometer lange Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke liegen bei rund zehn Milliarden Euro. Auf einer solchen Strecke müssten täglich etwa 5.000 Sitzplätze angeboten werden. Sie bieten sich besser an, um große Zentren zu verbinden und damit profitabel zu operieren. Bestehende Regionalflughäfen mit ihrer Infrastruktur stellen die günstigere Möglichkeit dar, um Regionen mit der Welt zu verbinden.

Vertikales Wachstum: Geschäftsmodelle mit breiter Basis

Der regionale Luftverkehr ist in den letzten drei Jahren um etwa acht Prozent gewachsen. Weniger als der Luftverkehr insgesamt, aber immerhin. Weiteres Wachstum wird nötig sein, um eine profitable Kostenstruktur zu schaffen. Seit 2011 ist der Ticketpreis um durchschnittlich ein Drittel gesunken. Im Regionalverkehr sind die Ticketpreise höher, da die Verbindungen im Geschäftsleben dringend benötigt werden.

Smarte Regionalflughäfen beginnen, auf eigene Airlines zu setzen, um die gesamte Wertschöpfungskette zu bedienen. Beispielsweise bedient der Flughafen Altenrhein mit People’s Airline dieses Modell.

Gemeinsamer Ausblick im virtuellen Raum

Statt im Hilton Vienna Plaza, traf sich die Business-Community der American Chamber of Commerce in Austria aus ihren Homeoffices diesmal im Videochat. Über die Zukunft der Luftfahrt diskutierten unter anderem Matthias Albert (Bank Gutmann), Martin Brodey (Dorda Rechtsanwälte), Christine Catasta (PwC), Brigitte Cummings (Accenture), Maria del Carmen Derler (Uniqa), Johannes Dobretsberger (Oracle), Johannes Dorda (Dorda Rechtswanwälte), Christoph Ernst (BDO), Georg Fichtinger (CBRE), Egbert Fleischer (Bawag), Céline Garaudy (Französische Handelskammer), Marcus Handl (Kapsch), Patricia M. Helletzgruber (Drucker Society), Klaus Hölbling (Alix Partners), Robert Keider (FedEx), Benjamin Kloss (Plug and Play), Norbert B. Lessing (Hilton Hotels & Resorts), Christopher Losmann (Flughafen Salzburg), Andreas Ludwig (Umdasch Group), Christian Maetz (AT&T), Johannes Martschin (Martschin & Partner), Peter Moser (Tupperware), Sabine Ohler (Wirtschaftsagentur Wien), Nikolaus Pitkowitz (Graf Pitkowitz Rechtsanwälte), Brigitte Rafael (IBM), Monika Reich (Marsh), Monica Rintersbacher (Leitbetriebe Austria), Robin Rumler (Pfizer), Alexander Schratt (U.S. Embassy), Brigitte Trattner (Hotel Intercontinental), Linda Villarreal-Paierl (Unternehmensberaterin), Saskia Wallner (Ketchum Publico), Sarah Wared (Wolf Theiss) oder Michael Zettel (Accenture),

www.amcham.at

Titelbild: Peter Malanik, Präsident des österreichischen Luftfahrtverbands und Aufsichtsratsvorsitzender des Airport Klagenfurt
Copyright: AmCham

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