lehrlingspower: New Work kostet mehr als bunte Folder

Nun sind sie angekommen, der Fachkräfte- und der Arbeitskräftemangel. Damit meine ich nicht in den Unternehmen, den HR-Abteilungen ist das schon länger bewusst. Sondern in den Vorstandsetagen und Geschäftsleitungen. Die nun auch akzeptieren, dass etwas getan werden muss, um mehr Mitarbeiter zubekommen. Wenn da nur nicht die ganzen anderen Herausforderungen wären, die zu einer geradezu paradoxen Situation führen.

New Work und die Ausbildung von Lehrlingen, deren Betonung darf in keinem Hochglanzprospekt und auf keiner Homepage mehr fehlen. Doch die Mitarbeiter der Zukunft wollen neue Angebote. Solide Ausbildung und sicherer Arbeitsplatz sind längst nicht mehr genug. Es muss schon Homeoffice sein, garniert mit Purpose und Selbstbestimmung und im Idealfall alles mit individueller Work-Life-Balance. Um diese Botschaften an die BewerberInnen zu kommunizieren, werden die Employer Branding Budgets erhöht und die besten kreativen Köpfe bemüht. Schließlich müssen wir unsere Stellenangebote besser verkaufen, um die Gunst der wenigen Bewerber*innen zu gewinnen.

Das gilt auch für Ausbildung von Lehrlingen, die erscheint so attraktiv wie nie zuvor. Jeder Firmenchef betont heute, wie wichtig die Lehre in seinem Unternehmen ist. Zumindest wenn es gerade um das Thema Personal und Ausbildung geht. In Medien für die Entscheider selbst liest man manchmal deren wahre Meinung über die Jugend, das wäre aber eine andere Geschichte. In diesem Beitrag geht es eher um das Auseinanderdriften von Managerkonzepten und der betrieblichen Realität.

Recruiting ist nur die eine Seite der Medaille
In vielen Gesprächen mit für die Lehrlingsausbildung Verantwortlichen manifestiert sich ein nachdenklich machendes Bild. Denn über einen Ausbau der Ausbildungsressourcen wird in den meisten Betrieben nicht gesprochen. Kostendruck und zu wenig Mitarbeitende führen dazu, dass die Mittel für die Ausbildung im besten Fall gleichbleiben müssen, sogar Einsparungen stehen im Raum. Was in Anbetracht der herausfordernden Generation Alpha schwierig genug erscheint. Wenn wir die Anzahl der Lehrlinge erhöhen wollen, dann müssen wir aber auch auf Zielgruppen zurückgreifen, die wir bisher nicht aufgenommen haben. Die noch mehr Betreuungsaufwand, zumindest am Anfang, mit sich bringen, als wir jetzt schon gewohnt sind. Und schließlich kommt noch die Weiterentwicklung der Lehrberufe an sich dazu, die in vielen Fällen notwendig genug ist.

Aber wie man das alles ohne zusätzliche Ressourcen auf die Reihe bekommen soll, das ist ein Umsetzungsproblem, welches in Vorstandsentscheidungen meist nicht beantwortet wird. Ein Ausbildungsleiter bringt es auf den Punkt: „Wir brauchen keine Digischecks, um die Ausbildung auszulagern. Wir brauchen Zeit, um unsere Ausbildung optimal aufzustellen. Und Ressourcen, um den erforderlichen Mehraufwand in der Ausbildung abzudecken.“

Eine Vorgabe allein bewirkt noch gar nichts
Top Führungskräfte müssen raus aus ihren Managementblasen. Wer immer nur mit jenen spricht, die gleich (akademisch) ausgebildet wurden und ähnlich denken, der bekommt oft seine Meinung bestätigt. Aber er läuft Gefahr, dass die Realität sich völlig anders darstellt als geplant oder auf der Homepage formuliert. Nachdem sich niemand im direkten Umfeld das Thema Kostensteigerungen anzusprechen traut, taucht das Problem erst auf, wenn Aufträge abgelehnt werden müssen oder die Qualitätsmängel im Management aufschlagen. Dann ist es aber meistens schon fünf nach zwölf.

Es genügt nicht, wenn wir Vorgaben formulieren, ohne zu überprüfen, was davon in der Realität ankommt. Das gilt nicht nur für die Thematik Lehrlinge, sondern auch für viele Aspekte des New Work. Mistery Bewerbungen würden rasch zeigen, wie es in ihrem Recruiting wirklich aussieht. Ob zum Beispiel die „Generation JETZT“ – Jugendliche, die es gewohnt sind, alles sofort zu bekommen – zwei Wochen auf eine Antwort warten muss. Oder ob die Übernahme daran scheitert, dass Computerprogramme, mit denen ihre teuer rekrutierten Jungtechniker arbeiten müssen, diese mit Schaudern und gleich nach der Lehre einen anderen Arbeitgeber suchen lassen. Alles schwer vorstellbar, weil die Ausstattung der Vorstandsbüros natürlich immer State of the Art ist. Viele Ihrer Mitarbeiter müssen mit anderen Bedingungen klarkommen und tun das auch, weil es eben immer so war. Neue Mitarbeiter von außen sehen das klarer und vor allem: sie haben die Wahl.

Das eigene Bild ist die beste Quelle
Wir brauchen mehr Dialog mit jenen, die täglich mit diesen Herausforderungen umgehen müssen. Wenn wir die besten Fachleute brauchen, dann muss uns deren Ausbildung auch etwas wert sein. Und darf nicht daran scheitern, dass wir zwar die Mittel fürs Recruiting erhöhen, aber dann für die Ausbildung keine Ressourcen zur Verfügung stellen. Ermöglichen wir unseren Mitarbeitenden, unseren Plänen Taten folgen zu lassen und sehen wir einmal genauer hin, was in der Realität passiert. Sonst bleiben wir am Ende mit unseren Plänen und Konzepten allein, ohne neue und qualifizierte Fachkräfte für unsere Zukunft.

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