APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger im Online-Event über außergewöhnliche Leistungen einer außergewöhnlichen Redaktion in außergewöhnlichen Zeiten
Johannes Bruckenberger ist Chefredakteur der APA. Er leitet die Redaktion der nationalen Nachrichtenagentur, die als Rückgrat der Medienlandschaft ihre Eigentümer und weitere Medien in Österreich mit „true and unbiased news“ versorgt. Wie die Redaktion die außergewöhnlichen Zeiten der Corona-Pandemie meistert und welche Anforderungen daraus entstehen, erzählte Johannes Bruckenberger in einem digitalen Event aus der Reihe APA-Insight gestern, Mittwochabend, und stellte sich anschließend den Fragen des Publikums.
„Die Berichterstattung über die Corona-Krise gehört inhaltlich zum Herausforderndsten der vergangenen Jahre“, startete Bruckenberger seine Einblicke in die „neue Realität“ des Agenturalltags. Dabei war die Reihe redaktioneller Großereignisse, die einer Redaktion Außergewöhnliches abverlangen, schon vor Corona lang: „Schwarz-Blaue Wende 2000, 9/11, Tsunami, die Finanzkrise, die Bundespräsidentschaftswahl 2016 oder im Vorjahr Ibiza und seine Folgen“, zählte Bruckenberger exemplarisch auf. „Corona aber forderte die Redaktion organisatorisch stärker als alles zuvor.“ Schließlich galt es, den gesamten Newsroom, in dem gewöhnlich 145 Redakteurinnen und Redakteure auf einer Ebene zusammenarbeiten, ins Home-Office zu verlegen. „Newsroom-Konzepte und Pandemien sind leider keine ideale Kombination“, betonte Bruckenberger, es hätte sich aber gezeigt, dass der Newsroom auch im Home-Office funktioniert.
Unvorbereitet sei man nicht gewesen, denn die APA ist Teil der kritischen Infrastruktur in Österreich und hat seit den 2000er-Jahren einen fertigen Pandemie-Strategieplan in der Schublade. „Dadurch konnten wir ab der Kalenderwoche elf sehr rasch ins Home-Office wechseln. Das betraf 90 bis 95 Prozent unserer Journalistinnen und Journalisten.“ Wenngleich mittlerweile wieder einige mehr in der APA am Naschmarkt im Dienst seien, so werde es eine vollständige Rückkehr wohl erst wieder geben, wenn es einen Impfstoff gibt, prognostizierte Bruckenberger.
Die Produktion der APA-Redaktion ist auch im Home-Office enorm. Von den insgesamt 48.000 Meldungen, die seit Beginn der Krise am 25. Februar über alle Ressorts des APA-Basisdienstes gelaufen sind, behandeln deutlich mehr als 30.000 die Corona-Krise. Dazu kommen 7.000 Bilder, 250 Grafiken mit bisher mehr als 17 Millionen Zugriffen, mehr als 200 Videobeiträge, 200 Video-Live-Streams und ein laufend aktualisierter Liveblog zum Thema. APA-Faktenchecks sowie ein täglicher Nachrichtenüberblick in einfacher Sprache wurden neben Deutsch in elf weitere Sprachen übersetzt – Bruckenberger sieht darin auch ein wichtiges Gegengewicht zur Desinformation, die sich Studien zufolge vor allem in sozialen Netzwerken oder Messenger-Diensten verbreite und zu Verunsicherung führen würde. „Studien haben gezeigt, dass Menschen, die klassische Medien bzw. Qualitätsmedien konsumiert haben, weniger anfällig für Desinformation sind“, erklärte Bruckenberger.
Die gewaltigen Herausforderung durch Corona hätten aber auch die Stärken der APA-Redaktion ins Licht gerückt: die ressortübergreifende Newsroom-Kultur, die Multimedialität der vielen Formatangebote und die Regionalität, die über die Bundesländerbüros abgedeckt wurde. Stolz zeigte sich Bruckenberger, dass die Berichterstattung der APA unter all den Anforderungen nicht gelitten habe. „Wir haben uns an den Tugenden und Regeln des Qualitätsjournalismus orientiert: an die Fakten halten, präzise und objektiv sein.“
Den vor allem in sozialen Netzwerken an „die Medien“ erhobenen Vorwurf der „Hofberichterstattung“ wies Bruckenberger zurück: „Die Maßnahmen und die Strategie der Regierung zur Bekämpfung der Ausbreitung des Virus hatten ja eine faktisch und wissenschaftlich unterfütterte Plausibilität. Laut einer Studie des Imperial College Großbritannien hätte es ohne nationale Intervention 66.000 Todesopfer gegeben.“ Über die Pool-Lösung der Regierung sei man „nicht glücklich gewesen – vor allem nicht über die Dauer“, beklagte Bruckenberger. „Wir haben das bei Corona getan, weil wir neben dem ORF Teil der kritischen Infrastruktur sind und weil wir so unserer Funktion als Verteilplattform des Mediensystems nachkommen konnten, quasi als Dienstleistung für unsere Kundinnen und Kunden.“
Die Kritik an Medien habe durch die Digitalisierung aber insgesamt zugenommen und klassische Medien würden sich in einem ständigen Spannungsfeld der gesellschaftlichen Polarisierung bewegen, meinte Bruckenberger. „Unser Job ist es weiterhin, die Fakten zu liefern und dabei möglichst präzise zu sein. Objektivität, Ausgewogenheit und der Grundsatz, immer alle Seiten zu hören, ist essenzieller denn je. Es braucht Fakten und journalistische Einordnung der Medien, denn in der Krise holt sich die Bevölkerung dort vertrauenswürdige Information.“
Insgesamt habe Corona das Vertrauen in die Medien gestärkt, führte Bruckenberger aus, und verwies auf die gestiegenen Nutzungszahlen. „Klassische Medien haben Aufklärung geleistet, in Summe mitgeholfen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, und die Arbeit der Regierung kritisch begleitet.“
Bezugnehmend auf die aktuellen Strukturmaßnahmen in der APA erklärte Bruckenberger: „Medien stecken mitten in der digitalen Transformation, die auch ökonomisch eine große Herausforderung darstellt. Dass wir gerade in der Corona-Krise, während der unsere Redaktion Tolles leistet, mit Sparmaßnahmen konfrontiert sind, ist schmerzhaft. Letztlich geht es aber darum, in einem besonders herausfordernden ökonomischen Umfeld eine solide wirtschaftliche Basis für die Redaktion zu schaffen, damit diese Nachrichtenagentur nachhaltig abgesichert ist und wir so auch unsere journalistische Unabhängigkeit sicherstellen können“, unterstrich Bruckenberger.
Servicehinweis:
Zur Aufzeichnung des Digital-Events APA-Insight
Titelfoto: APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger erzählte im Online-Event APA-Insight am 1. Juli 2020 über außergewöhnliche Leistungen einer außergewöhnlichen Redaktion in außergewöhnlichen Zeiten.
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