ESG im Fokus der Leitbetriebe Austria Performance Tage 2023

Der proaktive Austausch im Rahmen der Performance Tage ist mittlerweile zu einem Fixpunkt im Sommer geworden. Am ersten Tag widmeten sich die teilnehmenden Leitbetriebe in gemeinsamen Workshops und Impulsvorträgen der nachhaltigen Entwicklung in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG). Eine Zusammenfassung:

Themenblock SOCIAL SKILLS

Inklusion-Recruit-Train-Deploy am Beispiel Inclusive IT-Academy
Die IT-Branche ist von einem starken Arbeitskräftemangel betroffen. So fehlen derzeit in Österreich rund 30-40.00 IT-Fachkräfte. Um die Lücken zu schließen und mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen braucht es Initiativen, die den nachhaltigen Aufbau von Ressourcen schaffen und neue Zielgruppen ansprechen. Menschen mit Behinderung sind vom Arbeitsmarkt und (beruflicher) Weiterqualifizierung noch weitgehend ausgeschlossen. Ziel ist es, IT-Kompetenz dorthin zu bringen, wo sie gebraucht wird. INCLUSIVE-IT bietet eine innovative IT-Ausbildung, die es den Unternehmen ermöglicht, auf einen bisher unbeachteten Pool an hochmotivierten, IT-affinen Personen zuzugreifen und für eine langfristige Jobbesetzung zu sorgen. Das Traineeprogramm umfasst drei Phasen: Mit dem jobs-screening werden neue Mitarbeiter vorausgewählt. Dabei nutzen wir das auch vom AMS an mittlerweile 3000 Personen verwendete IT-Screening zur Vorauswahl. Die Jobs und das Matching mit den Unternehmen finden über die Jobmatching-Plattform (mit aktuell >100 IT-Potentials) statt. Wichtig ist hier darauf zu achten, dass die Personen mit ihrer individuellen Behinderung zum jeweiligen Unternehmen passen.  Anschließend werden diese in einer work & learn-Phase mittels Praktikum und modernsten Lernmethoden qualifiziert. Nach Abschluss der Ausbildung starten die zertifizierten IT-Fachkräfte direkt im Unternehmen. Der ganze Prozess wird durch NEBA-Betriebsservice und das Sozialministerium Service begleitet. Durch Unterstützung der öffentlichen Hand kommen so Unternehmen kostenlos zu gut ausgebildeten Cloud Administratoren oder anderen It-Professionals.
(Fachlicher Input: Christoph Becker, Geschäftsführer ETC – Enterprise Training Center GmbH)

Vereinbarkeit Familie & Beruf
Die Zertifizierung  berufundfamilie besteht in Deutschland und Österreich seit rund 20 Jahren und zeichnet besonders familienfreundliche Unternehmen aus. Derzeit sind in Österreich 650 zertifizierte Betriebe und 33 Universitäten/FHs dabei. Die individuellen, familienfreundlichen Maßnahmen werden mit den Beteiligten erarbeitet und nachhaltig umgesetzt. Die „Extrameile“ zahlt sich langfristig aus und zeigt sich in gesteigerter Mitarbeiterbindung, Verbesserung des Wiedereinstiegs nach der Karenz, motivierten Arbeitskräften und mehr Bewerbungen. 95% der Beschäftigten erachten etwa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei der Jobauswahl als wichtig bis sehr wichtig. Die Maßnahmen bringen daher auch Vorteile im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte und tragen zu einem positiven Image nach innen sowie nach außen bei. Sie unterstützen zudem die Umsetzung der SDG-Agenda 2030, z.B. in den Zielen Keine Armut, Gesundheit und Wohlergehen, Geschlechtergerechtigkeit, weniger Ungleichheit, Menschenwürde, Arbeit und Wirtschaftswachstum.
(Fachlicher Input von Mag. Elisabeth Wenzl, Geschäftsführerin Familie & Beruf Management GmbH)

Themenblock NACHHALTIGKEITSBERICHTE

Umsetzung gelebter Nachhaltigkeit in einem dokumentierten Nachhaltigkeitsbericht – soziale Nachhaltigkeits-Journey
Soziale Nachhaltigkeit ist weniger präsent und weniger leicht messbar als ökologische Nachhaltigkeit.  Sie umfasst Bereiche wie CSR, Gleichstellung, Diversität, Inklusion, gesunder Arbeitsplatz und Fairness am Arbeitsplatz. Ziel der sozialen Nachhaltigkeit ist das Wohlbefinden in der Gemeinschaft, die Wahrung der Menschenrechte und Bedürfnisse jedes einzelnen Mitglieds.  Die Firma SIMACEK berücksichtigt in ihrem Unternehmen acht Dimensionen der sozialen Nachhaltigkeit, um einen sicheren Arbeitsplatz im Niedriglohnbereich zu schaffen und Verantwortung zu übernehmen:

  • Faire Arbeitsbedingungen (kein Lohndumping, gemeinsame Zielsetzungen und Abstimmung mit Kunden)
  • Diversität und Inklusion (Sprachkurse am Arbeitsplatz, Hilfe bei Schwierigkeiten durch Sozialarbeiter der Caritas, Zusammensetzung der Teams)
  • Ausbildung und Qualifikation (Sprach-Lern-App, SIMACEK Akademie, neue Schulungsräume für Inhouse-Schulungen)
  • Arbeitssicherheit und Gesundheit (niederschwellige Angebote wie Brustkrebsvorsorge)
  • Gemeinschaftsengagement (Feste, Freiwilligenarbeit, aktive Mitarbeit in Interessensvertretungen, Corporate Action / Zusammenarbeit mit Kunden)
  • Nachhaltige Lieferketten (Workshops mit Lieferanten, Umgang mit Mitarbeitern)
  • Verankerung im Unternehmen (ein eigener ESG-Koordinator als Ansprechpartner in jeder Niederlassung, nachhaltige Unternehmensstrategie)
  • Risikomanagement (Arbeitsplätze müssen auch verfügbar sein)

Der Weg zum Nachhaltigkeitsbericht beginnt mit einer Stakeholder-Dialog. Die 60 Rückmeldungen von Kunden, Mitarbeitern, Inhabern, Aufsichtsräten, Betriebsrat und Lieferanten wurden einer Wesentlichkeitsanalyse unterzogen und dabei 12 Themen identifiziert, die Eingang in den Bericht fanden. Anschließend wurden 23 Ziele und 26 Maßnahmen definiert, 160 KPIs werden über Zeitreihen von 4 Jahren berichtet. Der Nachhaltigkeitsbericht folgt dem umfassenden GRI-Standard und ist von Quality Austria geprüft. Auch wenn der Bericht viel Aufwand bedeutet, hat er qualitativ viel gebracht. Von der Geschäftsführung bis zu den untersten Ebenen war jeder miteingebunden. Das Ergebnis: Teamplay und Aufbruchstimmung. Nachhaltigkeit funktioniert nur über die gesamte Wertschöpfungskette, daher werden die Ziele auch gemeinsam mit Kunden und Lieferanten in intensiven Dialogen und Workshops umgesetzt. Wieviel ist soziale Nachhaltigkeit wert? In einigen Jahren wird soziale Nachhaltigkeit state-of-the-art sein und damit auch wirtschaftliche Auswirkungen haben – für das Employerbranding, Recruiting und die Öffentlichkeitsarbeit relevant ist sie schon heute.
(Fachlicher Input: DI Gerald Karner, Leitung Unternehmensentwicklung, SIMACEK Holding GmbH)

Beispiel: Nachhaltigkeitsbericht in der Immobilienbranche
Nachhaltigkeit ist in der Immobilienbranche seit langem ein Thema. Gebäude ressourcenschonend zu errichten, zu modernisieren und zu betreiben ist das Gebot der Stunde. Der aktuelle Immobilienbestand in Europa verursacht 40% des Energieverbrauchs und 36% der CO2-Emissionen der EU. Hier muss Abhilfe geschaffen werden.  Nachhaltige Materialien, gezielte Maßnahmen für mehr Energieeffizienz und grüne Technologie helfen dabei, Umweltbelastungen zu reduzieren, Betriebskosten zu senken und den Wert der Immobilien zu steigern.

EHL hat dieses Jahr den ersten Nachhaltigkeitsbericht fertiggestellt, an dem ca. ein halbes Jahr intensiv gearbeitet wurde. Begonnen wurde dabei mit einer Stakeholder-Befragung, die anschließend evaluiert wurde. In Workshops und Meetings wurden anschließend Ziele und Maßnahmen für die nächsten 3 bis 5 Jahre in den Handlungsfeldern E (Ressourcenschonung, Mobilität), S (Mitarbeitergesundheit, Personalentwicklung, Mitarbeiterzufriedenheit, Diversität und Chancengleichheit, Gesellschaft & Soziales), G (Sicherstellung der Kundenzufriedenheit/Servicequalität, Strategie & Entwicklung und Antikorruption) formuliert. Die Auswirkungen der gesetzten Schritte zeigten sich unter anderem in einem stärkeren Zusammenhalt zwischen den Mitarbeitern und Führungskräften. Das Thema Nachhaltigkeit ist auch in der Immobilienbewertung an sich sehr relevant. Ein nicht-zertifiziertes Gebäude muss zum Teil Abschläge von 5 bis 10 Prozent leisten. Langfristig betrachtet ist es jedenfalls außerordentlich wichtig, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit in allen Bereichen der ESG auseinanderzusetzen.
(Fachlicher Input: Mag. Stefan Wernhart MRICS, Geschäftsführer, EHL Gewerbeimmobilien GmbH)

Der Weg zur Transformation und mehrwertbringende Lösungen für Unternehmen
Rund 145 Milliarden Euro an Mehrinvestitionen sind mit Blick auf die von der Europäischen Union vorgegebene Klimaneutralität der Wirtschaft bis zum Jahr 2050 erforderlich: Der Green Deal ist eine Herausforderung, aber auch eine Chance. Um jene zu ergreifen, unterstützt die Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien Unternehmen mit zertifizierten Berater:innen und intelligenten Lösungen – ob in Kooperation mit der Oesterreichischen Kontrollbank (OeKB), der European Investment Bank (EIB) oder in Form eigener Produkte wie dem Going Green Kredit und Social Impact Kredit. Denn: Verantwortungsvolles Wirtschaften ist weit mehr als bloß ein Beitrag zur lebenswerten Zukunft. Es stärkt insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit.

Kund:innen, Partnerbetriebe oder Arbeitnehmer:innen beziehen immer häufiger das Thema ESG in ihre Entscheidungen ein. Regulatoren forcieren zudem die Transformation hin zur Nachhaltigkeit bei Banken, was die Kreditvergabe beeinflusst. Die drei Kriterien Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Aufsicht) agieren so als Treiber von Innovation und Wachstum. Mittels Taxonomie werden grüne Aktivitäten mit einheitlichen Kriterien definiert und im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung von der EU standardisiert.

Ziel ist es, nachhaltiges Handeln in Unternehmen zu verankern. Und das führt zu erheblichem Aufwand: Über Lieferketten werden diesbezüglich auch mittelständische Unternehmen schon früher betroffen sein, als vielen bis dato bewusst ist. Die RLB NÖ-Wien – sowie auch einige andere Banken – ist hier bestrebt, die Datenerhebung zu erleichtern. Ein Vorschlag: Über die OeKB-Plattform „ESG Data Hub“ soll künftig den Betrieben ein zentral koordinierter ESG-Fragebogen zur Verfügung gestellt werden, der Effizienz und wenig Bürokratie gewährleistet.
(Fachlicher Input von Dir. Mag. Michaela Rammel, MBA CSE, Bereichsleiterin Großkunden, Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien AG)

Themenblock ENVIRONMENT

Digitalisierung und Nachhaltigkeit am Beispiel „RideAmigos“
Europa auf dem Weg zum Lifestyle Kontinent? Wirft man einen Blick auf die weltweite Marktkapitalisierung von Unternehmen gewinnt man den Eindruck, dass Europa das Digital- und Technologierennen verloren hat. Kein einziger europäischer Top-Player ist relevant vertreten. Dennoch haben wir in Europe eine hohe Ingenieurs-Kompetenz (auch im Digital-Bereich) sowie eine einzigartige „Hidden Champion Struktur“ und damit ein starkes Unternehmertum. Im globalen Wettbewerb steht Europa im Spannungsfeld zwischen Dekarbonisierung, Digitalisierung und Dezentralisierung. Nachhaltigkeit mit Digitalisierung zu verbinden bietet für Europa die Chance wieder eine führende Rolle einzunehmen. Ein Beispiel für die Kombination von Digitalisierung und Nachhaltigkeit ist das Kundenprojekt RideAmigos, welches eine nachhaltige Pendlerlösung anbietet. Es handelt sich um einen digitalen Pendlerassistent (APP). Dieser macht Vorschläge für nachhaltiges Pendeln (z.B. Mitfahrgelegenheiten), wobei mit einem Bonifikationssystem jeweils Punkte gesammelt werden können. Die Nutzung der APP hat einen positiven Impact durch Reduzierung des Pendler-Verkehrs und damit Reduzierung der CO2-Belastung und führt zu einer langfristigen Verhaltensänderung der Pendler. Eine konkrete Case Study eines österreichischen Unternehmens überzeugt mit Zahlen. Durch die Nutzung der App können 431 Parkplätze eingespart, 42.733 Fahrzeugkilometer vermieden, 5.555 kg CO2 reduziert und 8.651 Euro gespart werden.
(Fachlicher Input von Christoph Platzer, CEO, Parkside Informationstechnologie GmbH)

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