© Sabine Klimpt

Herausforderung Arbeitskräftemangel – Bildung, Ausbildung und Inklusion als Lösungswege

Um motivierte Mitarbeiter:innen zu fördern bzw. zu finden, ergreifen österreichische Unternehmen Initiativen, um Aus- und Weiterbildung zu unterstützen. In Zeiten des Arbeitskräftemangels lohnt sich auch ein Blick über den Tellerrand: Menschen mit Behinderung werden am Arbeitsmarkt (noch) zu wenig einbezogen, obwohl diese eine enorme Bereicherung für Unternehmen darstellen und Teams nachweislich produktiver machen. Beim Expert:innentalk in Zusammenarbeit mit der ÖJAB (Österreichische Jungarbeiterbewegung) standen diese Themen im Fokus zweier Paneldiskussionen. Sie war mit ihrem neu eröffneten ÖJAB-Pflegewohnhaus Neumargareten Gastgeberin des Themennachmittages. Dieses befindet sich am Areal „Lebenscampus Wolfganggasse“ im zwölften Wiener Gemeindebezirk, wo soziales Miteinander täglich gelebt wird.

Integration durch Ausbildung in den Arbeitsmarkt
Schulabbrecher:innen und Jugendliche aus schwierigen, sozialen Verhältnissen haben es aktuell am Arbeitsmarkt schwer. Durch Berufscoachings, sozialpädagogische Begleitung und Zugang zu niederschwelliger Ausbildung können diese jungen Menschen wieder ausbildungsfit gemacht und erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert werden. Politik wie auch Unternehmen müssen hier sozialgesellschaftliche Verantwortung übernehmen.
(Fachlicher Input: Dr. Monika Schüssler, Geschäftsführerin ÖJAB)

Kooperationsmöglichkeiten nutzen
Unternehmen müssen mehr in Ausbildung investieren, um Beschäftigungsfähigkeit zu sichern. Darüber hinaus empfiehlt es sich, die Kooperationsmöglichkeiten mit Ausbildungsverbünden zu nutzen. Beispielsweise wenn Teile der Lehre vom Betrieb nicht abgedeckt werden können. Auch jenen, die es am Arbeitsmarkt schwerer haben, sollten Unternehmen eine Chance geben. Für Arbeitnehmer:innen, die sich umschulen oder weiterbilden möchten, spielt zudem die Existenzsicherung eine große Rolle. Arbeitsmarktpolitische Förderungen sind derzeit noch lückenhaft und bieten oftmals keine ausreihende Existenzsicherung, vor allem bei längeren Ausbildungen. Sie gehören daher weiter ausgebaut.
(Fachlicher Input: Mag. Martin Schmidhuber, AK Wien, Abteilung Arbeitsmarkt & Integration)

Bessere Förderungen für Aus- und Weiterbildung notwendig
Das Interesse an Aus- und Weiterbildung ist groß, allerdings braucht es hier noch bessere Förderungen sowie Konzepte, die rasch umsetzbar sind. Menschen mit niedrigen Qualifikationen oder solche, die den Beruf wechseln wollen, können auf vielfältige Weise in komprimierter Form zu Facharbeiter:innen ausgebildet werden. Elektropraktiker:innen beispielsweise werden derzeit stark gesucht. Das notwendige fachspezifische Wissen wird in wenigen Monaten vermittelt und die Arbeitskräfte können unmittelbar nach der Ausbildung eingesetzt werden. Um Qualifikationen von Arbeitskräften aus dem Ausland besser zu nutzen, bräuchte es zudem mehr Validierungsverfahren und -stellen, die diese anerkennen. Außerdem ist es an der Zeit, dass auch AHS-Maturant:innen für die Lehre begeistert werden und sie eine Lehre z.B. in verkürzter Form absolvieren. Nicht zuletzt empfiehlt es sich, das Augenmerk auf Schulabbrecher:innen zu legen. Auch diese Jugendlichen haben Potenzial und eine Chance verdient. Ausbildung braucht jedenfalls mehr Investment und Weitblick. Der Einsatz von Steuergeldern rechnet sich bereits innerhalb von vier bis fünf Jahren.
(Fachlicher Input: Dr. Michael Sturm, Geschäftsführer BFI – Berufsförderungsinstitut)

Bildung sichert Jobs
Absolvent:innen mit berufsfeldzentrierten Ausbildungen, die sich am aktuellen Arbeitsmarkt orientieren, sind rasch und wertschöpfend einsetzbar. Sie lindern den Arbeitskräftemangel damit unmittelbar. Die rund 2.500 Absolvent:innen, die jährlich an der FH Campus Wien abschließen, finden sehr schnell einen Job, sofern sie nicht schon einen haben. Die Ausbildung ist daher höchst arbeitsmarktrelevant. Nichtsdestotrotz fühlen sich die österreichischen Fachhochschulen zu wenig beachtet. Hier besteht noch Handlungsbedarf, besonders von Seiten der Politik. Denn: Bildung sichert Jobs und muss daher verstärkt in den Fokus rücken.
(Fachlicher Input: Prof. Ing. Wilhelm Behensky, Vorsitzender der Geschäftsleitung FH Campus Wien)

Passende Bildung vs. höchster Abschluss
Wir müssen aufpassen, dass wir keinen „Wettkampf“ der Bildungssysteme anstoßen. Weder die Lehre noch die Universität muss Nummer 1 sein. Alle Wege sollen gleichberechtigt nebeneinander bestehen. Viele Eltern drängen ihre Kinder zum höchstmöglichen Abschluss, mit teilweise schädlichen Folgen: Investition von viel Zeit und Geld (Nachhilfe) und ein zerstörtes Selbstbewusstsein. Passend ist jene Bildung, die der aktuellen Entwicklung der jeweiligen Jugendlichen entspricht. Darauf sollte zukünftig mehr Augenmerk gelegt werden.
(Fachlicher Input: Robert Frasch, Gründer lehrlingspower.at)

Inklusion bietet Chance für Unternehmen
Das Unternehmen Markas hat aktuell 40 Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung geschaffen sowie eine Inklusionsbeauftragte angestellt. Zum einen konnte so der Mitarbeiter:innenpool durch hochmotivierte Arbeitskräfte erweitert werden, zum anderen stellen Menschen mit Behinderung eine enorme Bereicherung für die Teams dar. In diesen Teams zeigen sich beispielsweise mehr Zufriedenheit und Produktivität unter den Mitarbeiter:innen. Nach wie vor herrschen bei Unternehmen manche Berührungsängste. Beratungsstellen wie myAbility helfen dabei, Hürden abzubauen sowie einen ersten Schritt einzuleiten. Zudem bestehen gute Fördermöglichkeiten, z.B. über den NEBA-Betriebsservice. Um Inklusion positiv zu besetzen, braucht es auch öffentlichkeitswirksame Medienarbeit und Vorzeigeunternehmen, die mit gutem Beispiel vorangehen. Auch wenn die Einstellung von Menschen mit Behinderung eine gewisse Herausforderung darstellt, lohnt es sich im Endeffekt für alle Seiten: Wenn es funktioniert, gibt es nur Gewinner:innen!
(Fachlicher Input: Mag. Gerlinde Tröstl, Geschäftsführerin Markas GmbH)

Berührungsängste abbauen
Menschen mit Behinderung stellen 15%-18% der Weltbevölkerung darf. Sie nicht in den Arbeitsmarkt einzubeziehen ist in Zeiten von Diversität und Inklusion nicht akzeptabel. Die ÖJAB beschäftigt chronisch kranke Menschen, Menschen im Rollstuhl, Sehbehinderte bzw. Sehschwache oder auch Autist:innen. Dazu wurden die Aufgabenfelder speziell konzipiert und an die Bedürfnisse der Menschen angepasst. Es zeigt sich, dass in Teams mit Inklusion die Zufriedenheit und Dankbarkeit der Mitarbeiter:innen anstieg. Vielfalt sorgt zudem für kreative Lösungen, mehr Achtsamkeit und eine bewusstere Konfliktkultur. Das Thema Inklusion stellt für viele Unternehmen nach wie vor ein Tabu-Thema dar. Berührungsängste können jedoch nur durch Berührung abgebaut werden. Dazu empfiehlt sich jedem Unternehmen eine Selbstanalyse: Was setze ich bereits um und was ist noch möglich? Beim Thema Inklusion braucht es vor allem Mut und das Commitment der Geschäftsführung, die eigenen Mitarbeiter:innen von den Vorteilen der Inklusion zu überzeugen.
(Fachlicher Input: Dr. Monika Schüssler, Geschäftsführerin ÖJAB)

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