Martina Wurzinger, Martin Kamper; ©Kamper

Interview mit Martin Kamper und Mag. Martina Wurzinger (KAMPER Handwerk+Bau GmbH)

Wir sehen es als unsere Aufgabe, aktuelle Bedürfnisse unserer Mitarbeiter:innen zu erkennen und dann auch zu handeln.“  

Martin Kamper (Geschäftsführer KAMPER Handwerk+Bau GmbH) und Prokuristin Martina Wurzinger im Interview mit Leitbetriebe Austria zu veränderten Anforderungen im Recruiting und zur 4-Tage-Woche. 

Leitbetriebe Austria: Bitte erzählen Sie uns kurz etwas über die KAMPER Handwerk+Bau GmbH? Wie ist das Unternehmen personell aufgestellt? (Struktur)
KAMPER: Die Wurzeln der KAMPER Handwerk+Bau GmbH mit Sitz in Tillmitsch gehen bis in das Jahr 1964 zurück, in dem der Firmengründer Johann Kamper eine Tischlerei als eingetragenes Unternehmen gegründet hat. Heute sind wir ein international agierender Generalunternehmer mit einem Jahresumsatz von ca. 77 Mio. Euro und beschäftigen etwa 142 Personen: 29 Tischler, 13 Schlosser, 8 Lehrlinge, davon arbeiten zwei Mädchen in unseren Werkstätten. Dazu kommen 37 Techniker:innen, Bauleiter:innen, Projektassitenzen und Projektleiter:innen. Des Weiteren unsere Teams in der TGA-Abteilung und in der Kalkulation sowie unser ganzer Support-Bereich in kaufmännischen und organisatorischen Bereichen, im Marketing sowie Vertrieb. Unsere Fachleute sind ausgebildete Architekt:innen, Bauingenieure, Baumeister, Tischlermeister:innen und Schlossermeister oder Betriebswirtinnen und eine Juristin. Etliche unserer Kolleg:innen kommen aus verwandten Bereichen. Sie alle eint die Freude am Projektmanagement, an Innovation und Tatkraft. Der Altersschnitt beträgt 37 Jahre, das ist schön und gibt uns Zuversicht für die kommenden Jahre.

Leitbetriebe Austria: Wie haben sich Ihr Recruiting und Ihre Anforderungen an Bewerber in den letzten Jahren verändert? Bzw. müssen Unternehmen im Recruiting sich den aktuellen Anforderungen im Arbeitsmarkt anpassen?
KAMPER: Neue Mitarbeiter:innen zu finden ist eine ständige Herausforderung. Unsere Branche ist anspruchsvoll, viele Bauunternehmen sind derzeit auf der Suche nach Verstärkung. Dazu kommt, dass unsere Baustellen zumeist nicht in Österreich sind, sondern im benachbarten Ausland. Die grundlegenden Erwartungen an unsere neuen Kolleg:innen haben sich in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert: Es müssen Teamplayer sein, die mit flachen Hierarchien umgehen können. Sie müssen freilich eine hohe Affinität für den Bau und idealerweise auch für das Tischler- und Schlosserhandwerk haben. Was sich aber durchaus verändert hat, sind die Erwartungen neuer Bewerber:innen. Wir vermuten, dass die Coronakrise und die Lockdowns hier auch eine Rolle gespielt haben. Freizeit und die selbstgewählte Organisation der Arbeitszeit sind plötzlich viel stärker zum Thema geworden. Diesen Trend haben wir auch im Rahmen der Leitbetriebe-Performancetage im Frühsommer intensiv besprochen. 

Leitbetriebe Austria: Die 4-Tage-Woche ist mit Sicherheit in mehreren Unternehmen ein mögliches Thema: Wie ist die Entscheidung, eine 4-Tage-Woche einzuführen, zustande gekommen? Welcher Prozess steckt dahinter?
KAMPER: Der wesentliche Auslöser für diese Entscheidung war, dass wir unseren Teams flexiblere Gestaltungräume im Sinne einer guten Work-Life-Balance ermöglichen wollten. Wir sehen es als unsere Aufgabe, aktuelle Bedürfnisse unserer Mitarbeiter:innen zu erkennen und dann auch zu handeln. Viel zu oft ergeben sich Verbesserungen nur durch den Wechsel zu anderen Arbeitgebern. Dass dem nicht so sein muss, beweist unser Schritt hin zur 4-Tage-Woche. Mit allen Konsequenzen des vollen Lohnausgleichs und administrativen Herausforderungen. Dass dieser Schritt dann auch intensive Auswirkungen auf unser Recruiting hatte, war wohl zu erwarten und ist ein erfreulicher Nebeneffekt. 

Leitbetriebe Austria: Was können Sie anderen Unternehmen empfehlen, die mit dem Gedanken einer 4-Tage-Woche spielen?
KAMPER: Organisatorische Hürden können beträchtlich sein, man sollte sie keineswegs unterschätzen. In unserem Fall kam erschwerend hinzu, dass wir Personal in unterschiedlichen Kollektivverträgen mit unterschiedlichen wöchentlichen Arbeitszeiten hatten. So war es in Betriebsversammlungen erforderlich, hier Vereinheitlichungen vorzunehmen. Womit wir zunächst aber gar nicht gerechnet hätten, war die Tatsache, dass wir bei einer Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 38 Stunden, freilich bei vollem Lohnausgleich, unserer Verpflichtung als Lehrlingsausbilder nicht mehr so einfach gerecht werden können: Während die Belegschaft über 18 mit täglich 9,5 Stunden nach vier Tagen das Soll von 38 Wochenstunden erreicht hat, dürfen aber Minderjährige nur 9 Stunden am Tag arbeiten. Wir schulden aber die volle Ausbildungszeit im dualen System. Wie sieht also unsere Lösung zum Einholen der zwei Stunden pro Woche aus? Wir sind gerade dabei, parallel zum Werkstattbetrieb ein spezielles Schulungspaket für unseren Nachwuchs zu entwickeln, welches es uns ermöglicht, an einem Freitag im Monat die Fehlstunden aufzuholen. Die Themen müssen gut in das allgemeine Ausbildungsprogramm passen. Es finden sich Kurse wie Drechseln und Lagerlogistik genauso darunter wie persönlichkeitsbildende Schulungen. Hier gehen wir neue Wege mit dem Anspruch, dass die Ausbildungen so interessant sein sollen, dass sie eine Sogwirkung auch auf andere Mitarbeiter:innen haben. Dass sich die älteren Kolleg:innen bereits auch für die Kurse anmelden, freut uns sehr. 

Leitbetriebe Austria: Welchen Wunsch hätten Sie an die Gesetzgeber und Sozialpartner?
KAMPER: Solche Vorhaben umzusetzen, erweist sich als durchaus aufwändig. Wir würden uns hier von der Politik und den Sozialpartnern etwa mehr Offenheit wünschen. Flexible Rahmenbedingungen sind nötig, um es Arbeitnehmer:innen und Unternehmen ermöglichen,  gemeinsam individuell sinnvolle und praktikable Lösungen zu erarbeiten. Das Ziel muss letztlich gelungene Bedingungen für alle Beteiligten sein. 

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