Klaus Kaschnitz, Division Director Austrian Power Grid; © Katharina Schiffl

APG: Versorgungssicherheit in Österreich (Interview)

Klaus Kaschnitz | Division Director Austrian Power Grid (APG) 

„Die APG hat den gesellschaftlichen Auftrag, für die sichere Stromversorgung für alle Österreicher:innen zu sorgen. Wir haben hoch qualifiziertes Personal sowie sehr gut durchdachte, bewährte nationale und internationale Betriebsführungs- und Schutzkonzepte“, betont Klaus Kaschnitz, Division Director Austrian Power Grid. 

Im Interview mit Leitbetriebe Austria spricht er über effiziente Backup-Systeme, den geplanten Infrastrukturausbau und eine sichere Stromversorgung in Österreich. 

Wie sieht der Plan für den Infrastrukturausbau in Österreich langfristig aus? Welche Ziele gibt es? 
Klaus Kaschnitz: Bis 2030 soll der gesamte Stromverbrauch Österreichs zu 100% aus erneuerbaren gedeckt werden, bis 2040 der gesamte Energieverbrauch dekarbonisiert sein. Damit uns das gelingt, benötigen wir einen Gesamtsystemplan für Speicher, Erzeuger (inkl. Backup-Reserven), Netze und digitale Plattformtechnologien, die auch die Flexibilitäten von Verbrauchern nutzbar machen. Mit unserem 9 Mrd. € Investitionsprogramm bis 2034 nehmen wir unsere Verantwortung wahr und werden den Um- und Ausbau der überregionalen Strominfrastruktur weiter vorantreiben.  

Ein erster Schritt wurde mit der Verabschiedung eines österreichischen Netzinfrastrukturplans gemacht, der die Gas- und Strominfrastruktur bzw. die erforderlichen Kapazitäten gemeinsam betrachtet. Jetzt müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen (u.a. massive Beschleunigung der Genehmigungsverfahren sowie ein investitionsförderndes Regulierungsregime) folgen, damit wir die Projekte für die versorgungssichere Energiewende zeitgerecht umgesetzt können. Das wird eine der ersten Aufgaben einer neuen Bundesregierung sein müssen. Die entsprechenden Gesetze liegen auf dem Tisch: Elektrizitätswirtschaftsgesetz & Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz. 

Nur durch ein gemeinsames Zusammenspiel und wenn alle Akteure an einem Strang ziehen, wird eine CO2-Reduktion durch die Elektrifizierung von Gesellschaft, Wirtschaft und Industrie versorgungssicher gelingen können. 

Stichwort Blackout, welche Maßnahmen wurden bzw. werden gesetzt, damit der wirtschaftliche und menschliche Schaden eingegrenzt werden kann?  
Die APG hat den gesellschaftlichen Auftrag, für die sichere Stromversorgung für alle Österreicher:innen zu sorgen. Wir haben hoch qualifiziertes Personal sowie sehr gut durchdachte, bewährte nationale und internationale Betriebsführungs- und Schutzkonzepte. Dazu kommen gemeinsame Simulationstraining sowie regelmäßige Krisenübungen gemeinsam mit allen relevanten Akteuren des Energiesystems.  

Die Grundvoraussetzung unserer Betriebsführung ist, dass ein Ausfall eines Betriebsmittels jederzeit vom System abgefedert werden kann und nicht jedes singuläre Ereignis sofort zur Blackout-Gefahr führt. Zudem hat die europaweite Frequenzstörung vom 8.1.2021 gezeigt, dass die europaweit akkordierten Maßnahmen und Schutzmechanismen auch im Falle einer weiteren Eskalation wie einem Mehrfachausfall von Betriebsmitteln gut funktionieren und dabei helfen die sichere Stromversorgung auch in Ausnahmesituationen aufrecht zu erhalten. 

Was bedeutet Energiewende eigentlich?  
Es bedeutet den Übergang von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien. Mit dem Ziel, die Klimaziele zu erreichen und eine nachhaltige und zuverlässige Energieversorgung zu gewährleisten. Wesentliche Bestandteile sind der Ausbau von Wind-, Solar- und Wasserkraft sowie die Entwicklung von Energiespeicherungstechnologien wie Batterien und Wasserstoff. Diese werden aber nur nutzbar gemacht werden können, wenn man sie gemeinsam mit den Verbrauchern miteinander vernetzt. 

Allerdings dauert der Bau von Stromleitungen und Netzwerken oft Jahrzehnte, was den Übergang zu einer vollständig grünen Energieversorgung verzögert. Genehmigungsprozesse für neue Projekte sind zudem komplex und langwierig, was die Entwicklung von Infrastruktur behindert. Daher braucht es einen akkordierten Gesamtplan, der danach systemisch abgestimmt umgesetzt wird. Es ist eine Mammutaufgabe, die wir nur gemeinsam als Infrastrukturbetreiber, Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft stemmen können. 

Ist eine sichere Stromversorgung ohne z.B. Gaskraftwerke als Backup gewährleistet und wie lange werden wir diese noch benötigen? 
Eine sichere Stromversorgung ohne Gaskraftwerke als Backup ist derzeit noch nicht möglich. Trotz des Ausbaus erneuerbarer Energiequellen sind fossile Kraftwerke wie Gaskraftwerke nach wie vor notwendig. Diese sind wichtig, um die Stabilität des Stromnetzes zu gewährleisten, z.B. zur Vermeidung von Leitungsüberlastungen bei zu hohen Importen im Falle einer kalten Dunkelflaute mit hohem Verbrauch und geringer Erneuerbaren-Erzeugung.  

Solange die Netzinfrastruktur und Speichertechnologien nicht ausreichend ausgebaut sind, wird die Versorgung weiterhin auf diese Backup-Kraftwerke angewiesen sein. Eine weitere Frage ist, wie rasch neue Technologien vor allem in Speicherformen Stichwort Wasserstoff marktfähig sein werden. Solange es uns nicht gelingt, die überschüssige Energie über einen längeren Zeitraum zu speichern, sind wir auf Gaskraftwerke als Backup für die sichere Stromversorgung angewiesen.  

Ihre Tipps für Unternehmen/die Wirtschaft Strom zu sparen bzw. um beim Thema Energie die richtigen Maßnahmen zu setzen.
Jeder Verbraucher kann auf unterschiedliche Weise Strom sparen und seine Energieeffizienz verbessern. Diese Potenziale werden nicht zuletzt aufgrund der hohen Strompreise zunehmend gehoben. Wichtig wird aber sein, dass man darüber hinaus in die Laststeuerung investiert. 

Betriebe mit Elektroflotten könnten das Laden ihrer Fahrzeuge zu Zeiten mit überschüssigem Strom aus erneuerbaren Quellen (z.B. wenn der Strom aus Windkraft oder Solarenergie im Überfluss vorhanden ist) organisieren. Hierzu kann man sogenannte Lastmanagement-Systeme einsetzen, die den Ladevorgang automatisch auf den günstigsten Zeitpunkt verschieben. 

Auch bei der Produktion könnte der Bedarf – sofern es die Produktionsprozesse es zulassen – angepasst werden, je nachdem, wie viel Strom gerade verfügbar ist. Wenn beispielsweise Stromspeicher voll sind oder mehr Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird, könnte die Produktion erhöht werden, um überschüssige Energie zu nutzen. 

Zudem könnten Unternehmen selbst in Energiespeichertechnologien investieren, um Überschüsse an erneuerbarer Energie selbst zu speichern. Diese würden dann genutzt, um die Energiekosten zu optimieren und die Abhängigkeit von fossilen Backup-Systemen zu verringern. 

Infobox: 
Als unabhängiger Übertragungsnetzanbieter verantwortet Austrian Power Grid (APG) die sichere Stromversorgung Österreichs. Mit einer leistungsstarken und digitalen Strominfrastruktur integriert APG die erneuerbaren Energien und schafft Zugang zu preisgünstigem Strom für Österreich. Das APG-Netz erstreckt sich auf einer Trassenlänge von etwa 3.500 km, welches das Unternehmen mit einem Team von rund 900 Spezialist:innen betreibt. Über die Steuerzentrale wird ein Großteil der insgesamt 67 Umspannwerke, die in ganz Österreich verteilt sind, remote betrieben. Auch 2023 lag die Versorgungssicherheit, dank der engagierten Mitarbeiter:innen, bei 99,99 Prozent und somit im weltweiten Spitzenfeld. Unsere Investitionen in Höhe von 445 Millionen Euro 2024 (2023: 490 Mio., 2022: 370 Mio. Euro) sind Wirtschaftsmotor und wesentlicher Baustein für die Erreichung der Klima- und Energieziele Österreichs. Insgesamt wird APG bis 2034 rund 9 Milliarden Euro in den Netzaus- und -umbau investieren. 

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