BFI Wien Chef Lackinger: „Wir haben mit der überbetrieblichen Lehrausbildung ein funktionierendes System an der Hand. Es wird nur falsch wahrgenommen.“
„Auch, wenn die Corona-Krise den Fokus am Arbeitsmarkt deutlich verschoben hat, hat sich nichts daran geändert, dass es der heimischen Wirtschaft schwerfällt, qualifiziertes Personal zu finden. Gerade deshalb wird der Lehrausbildung eine besondere Bedeutung zukommen“, ist BFI Wien Geschäftsführer Franz-Josef Lackinger überzeugt und ortet dahingehend einige Defizite: „Immer weniger Betriebe bilden wegen der ‚Qualität‘ der potenziellen Lehranfänger aus. Für die Jugendlichen gilt die Lehre zunehmend als unattraktiver Notnagel für jene mit schulischen Defiziten. Und durch mangelndes Gegensteuern dreht sich diese Spirale seit mittlerweile 20 Jahren unaufhörlich weiter nach unten.“
Zwar gebe es dankenswerterweise auch viele – vor allem große Unternehmen – die mit eigenen Lehrlingsakademien gegensteuern. Den grundsätzlich am Lehrmodell interessierten (Klein-)Betrieben, fehle es aber meist an Ressourcen und auch pädagogischem Know-how, um jungen Menschen neben dem Handwerk auch Sozial- und Wirtschaftskompetenzen sowie Digitalisierungsskills zu vermitteln. „Daran werden auch Lehrplatzförderung und eine Modernisierung der Lehrpläne nichts ändern“, fordert Lackinger andere politische Interventionen.
Die Lösung wäre griffbereit
„Wir hätten eigentlich mit der überbetrieblichen Lehrausbildung ein funktionierendes System an der Hand. Es wird nur leider falsch wahrgenommen“, so der BFI Wien-Chef. Als „Auffangnetz für die Schwachen“ installiert, hat sich die überbetriebliche Ausbildung zur großartigen Alternative für Betriebe und Lehrlinge gleichermaßen gemausert. „Hunderte top-qualifizierte Absolventen im Jahr werden mit Handkuss übernommen. Viele wechseln schon während der Lehrzeit und haben etliche Firmen erst zum stolzen Lehrbetrieb gemacht. Und unzählige Jugendliche entdeckten so erst ihre Liebe und ihr Talent für ein Handwerk“, so Lackinger über die Erfahrungen am BFI Wien.
Das Problem sei aber: „Diese schönen Ergebnisse sind nur durch viel ‚Klinkenputzen‘ und Vorurteilsabbau gegenüber der überbetrieblichen Lehre möglich.“ Durch eine Flexibilisierung und Modularisierung des Systems Lehre sei hier viel zu erreichen: „Die duale Ausbildung im klassischen System für all jene, die ohnehin ausbilden. Eine überbetriebliche Lehre, die auf standardisierte Weise den Betrieben als modularer Sparringpartner für Teile – oder auch das Gros – der Ausbildung zur Seite steht. Und zu guter Letzt ein Sprungbrett für jene, die nicht direkt von der Schule weg an Firmen vermittelt werden können und erst ‚lehrfit‘ gemacht werden müssen.“ So könnte aus Erfolgserlebnissen, die das BFI Wien gemeinsam mit zahlreichen Partnerbetrieben erzielen konnte, eine institutionalisierte Lösung im „Dilemma Lehre“ werden. „Bis es soweit ist, werden wir selbstverständlich weiterhin ‚Klinkenputzen‘, um unsere Lehrlinge mit den fachkräftesuchenden Unternehmen zusammenzubringen“, so Lackinger abschließend.
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