Rainer Haude; ©haude electronica Verlags-GmbH

haude: KI in der Buchhaltung (Leitbetriebe Austria Interview)

„Die Verwendung von KI in der Buchhaltung ist ein ständig wachsender Trend, der das Tätigkeitsfeld in vielerlei Hinsicht verändern wird. Es wird nicht nur Änderungen in Tätigkeiten geben, sondern sogar komplett neue Aufgaben und Berufsspezifikationen“ betont Rainer Haude, Geschäftsführer haude electronica Verlags-GmbH

Leitbetriebe Austria: Können Sie Ihr Unternehmen im ersten Schritt bitte kurz vorstellen? Was genau macht haude electronica?
Rainer Haude: Wir entwickeln seit der Gründung 1999 Software in den Bereichen Finanzen & Rechnungswesen. Anfänglich haben wir uns auf Installationssoftware für Buchhaltung und Steuererklärungen konzentriert, später waren es Online-Produkte, die über die Cloud genutzt werden. Mittlerweile sind wir angesehener Entwicklungspartner für Ministerien, Banken und andere Institutionen. In unseren Projekten entstehen Online-Rechner, Software und APPs für iOS & Android rund um die Themen Steuern, Sozialversicherung, Businesspläne oder Cash-Flow. Unsere aktuellste Entwicklung ist die BookingAI, eine KI für intelligente Buchungsvorschläge, die in Buchhaltungsprogrammen eingebunden werden kann. Diese wurde auch bereits von Kunden wie ProSaldo.net in ihre Lösungen integriert.

Leitbetriebe Austria: Die Themen „Digitale Transformation“ und „Künstliche Intelligenz“ sind zurzeit in aller Munde. KI wird mittlerweile in den verschiedensten Bereichen eingesetzt und hat auch im Rechnungswesen Einzug gehalten. Wie und wo genau können diese smarten Technologien für die Buchhaltung eingesetzt werden?
Rainer Haude: Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Was einem sofort einfällt, ist natürlich die Automatisierung von Routineaufgaben. Zum Beispiel kann die KI bei der Verarbeitung von Eingangsrechnungen dazu genutzt werden, diese automatisch zu erkennen, relevante Informationen zu extrahieren und einen Buchungsvorschlag zu generieren.

Algorithmen können für einen automatischen Kontenabgleich genutzt werden und eine große Menge an Daten analysieren. Muster, die dem menschlichen Auge entgehen würden, werden erkannt. So können Finanzberichte optimiert werden, Chance werden besser erkannt und Risiken gleichzeitig optimiert. Auch ein möglicher Betrug kann schneller aufgedeckt werden, da die KI durch Anomalie-Erkennungs-Algorithmen ungewöhnliche Transaktionen identifizieren kann.

Weiters sehe ich ein großes Unterstützungspotential bei Cash-Flow-Prognosen und Entscheidungen. Ein Algorithmus kann historische Daten analysieren und ziemlich genaue Prognosen für zukünftige Cash-Flows erstellen. Das hilft auch wiederum für Investitionsentscheidungen: Die KI kann automatisch verschiedene Szenarien durchspielen und Empfehlungen abgeben.

Leitbetriebe Austria: Für welche Unternehmen eignet sich eine KI-Unterstützung in der Buchhaltung? Welche (technischen) Voraussetzungen müssen diese erfüllen?
Rainer Haude: In der Regel kann jedes Unternehmen, das Buchhaltung macht, von KI-Unterstützung profitieren unabhängig von Branche, Größe oder Unternehmensstruktur.

Kleinunternehmen und Startups können mittels Automatisierung von einfachen, wiederholenden Aufgaben Kosten zu sparen. Durch die schnelle Analyse von Finanzdaten erhalten sie die Grundlage für die Budgetplanung oder der Identifikation von Sparpotenzialen. Bei mittelständischen Unternehmen wiederum kann beispielsweise eine große Anzahl von Rechnungen oder anderen Belegen schnell verarbeitet werden. Auch hier unterstützt die KI bei der Budgetplanung und -kontrolle. Auch komplexere Anforderungen bei großen Unternehmen oder auch Konzernen können mittels KI erfüllt werden. So können zum Beispiel Anomalien oder Betrugsaktivitäten automatisch erkannt werden.

Die Eignung von KI-Unterstützung zieht sich also durch alle Unternehmensgrößen und -branchen egal ob Steuerberatungskanzleien, E-Commerce-Unternehmen, EPU oder internationale Konzerne. Von einfacheren automatisierten Prüfungen bis hin zur Verwaltung von Buchhaltungsvorgängen über mehrere Länder und Rechtsordnungen hinweg kann jedes Unternehmen von einer KI-Unterstützung profitieren.
Wir haben als eines der ersten Unternehmen solch eine KI für automatische Buchungsvorschläge entwickelt: Sie hilft Selbstständigen, die meist keine Expertise und kein gesteigertes Interesse am Thema Rechnungswesen haben, ihre Buchhaltung noch schneller und effizienter zu erledigen. Die User können die Vorschläge auch anpassen, so lernt die Buchungs-KI flexibel und ohne „starres“ Regelwerk aus der Buchungshistorie und dem Userfeedback, damit die Vorschläge noch besser auf den einzelnen User ausgerichtet sind. Mittlerweile wurde diese auch erfolgreich in der Online-Buchhaltung von ProSaldo.net eingebunden.

Leitbetriebe Austria: Welche Erleichterungen ergeben sich durch den Einsatz von KI in der Buchhaltung?
Rainer Haude: Gerade Buchhalter müssen sich oft mit wiederkehrenden Aufgaben beschäftigen: Rechnungsabgleiche mit Kontoauszügen, Dateneingaben oder Reporterstellungen. Mittels KI können diese Aufgaben automatisiert werden, was Zeit spart und die Wahrscheinlichkeit
menschlicher Fehler reduziert. KI-Algorithmen können Unstimmigkeiten in den Daten erkennen und darauf hinweisen. Durch die Anpassungsmöglichkeiten von KI-Systemen können auch spezielle Anforderungen und Präferenzen des Unternehmens bzw. des Buchhalters
berücksichtigt werden.

Außerdem kann eine KI Daten wesentlich schneller analysieren und Insights liefern, die menschlichen Buchhaltern möglicherweise entgehen. Einen großen Nutzen sehe ich hier beispielsweise bei der Budgetplanung, der Identifikation von Sparpotenzialen oder der Analyse von Geschäftstrends.

Durch die Automatisierung von Prozessen können Buchhalter ihren Fokus auf die Beratung und den Service an ihren Klienten legen. Anfänger in der Buchhaltung können von KI-unterstützten Buchungsvorschlägen profitieren. Durch die präsentierten Vorschläge lernen sie die passenden
Buchungen zu den verschiedenen Geschäftsfällen kennen. Dies trägt zur Erhöhung der Financial Literacy bei.

Leitbetriebe Austria: Neben den Vorteilen, mit welchen Schwierigkeiten muss man nichtsdestotrotz rechnen und wie kann damit umgegangen werden?
Rainer Haude: Das große Thema ist sicherlich die Angst vor Jobverlust bei den Mitarbeitenden. Wichtig ist hier eine gute Mitarbeiterführung: Das Team muss mit ins Boot geholt werden und ihnen die Vorteile der KI gezeigt werden. Das nimmt die Angst und setzt neue Energien frei. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über den Einsatz einer KI auch freuen können, weil ihnen lästige Routineaufgaben genommen werden und sie somit mehr Zeit für die Entwicklung neuer Ideen haben.
Neben den menschlichen Herausforderungen wie Unwissenheit und Angst bei der Einführung von KI in Unternehmensprozessen gibt es natürlich weitere Challenges:

  • Ein wesentlicher Punkt ist die Datenqualität. KI-Systeme können nur so gut sein wie die Daten, mit denen sie trainiert wurden. Wenn dafür unvollständige oder fehlerhafte Daten verwendet wurde, kann der Output nicht zufriedenstellend werden. Vor der Implementierung einer KI sollte deshalb immer eine gründliche Datenbereinigung erfolgen.
  • Die Integration von KI in bestehende Systeme und Prozesse kann sich als komplex und zeitaufwendig gestalten. Anstatt alles auf einmal zu automatisieren, kann eine stufenweise Einführung sinnvoll sein. Außerdem liegt es auch an der Auswahl des Partners, auf den man setzt: Es gibt zum Beispiel fix und fertige Buchhaltungssysteme, wo die KI bereits integriert ist und man hier keine eigenen Prozesse aufsetzen muss.

Leitbetriebe Austria: Warum sind viele Unternehmen beim Thema KI Ihrer Meinung nach noch sehr zurückhaltend?
Rainer Haude: Menschen sind oft resistent gegenüber Veränderungen oder haben sogar Angst vor Neuem. Es wird befürchtet, dass die Einführung einer KI, Arbeitsabläufe stört und somit Widerstand bei den Mitarbeitenden hervorgerufen werden kann.

Viele Unternehmen haben außerdem – klarerweise – kein Fachwissen über KI-Lösungen und wie diese effektiv implementiert und genutzt werden. Dies betrifft sowohl technische als auch ethische Aspekte der KI. Dementsprechend ist die Skepsis auch in den Köpfen drin. Marie Curie hat einmal gesagt „Was man zu verstehen gelernt hat, fürchtet man nicht mehr.“ Genau darin sehe ich auch die Aufgabe von mir und meinem Team: Wir möchten den Anwendern die Angst vor der großen Unbekannten „KI“ nehmen und ihnen zeigen, was der große Nutzen daraus ist. Wenn das verstanden wird, wird die KI in der Buchhaltung bald etwas völlig Alltägliches sein.

Auch das Thema Kosten ist ein Punkt. Natürlich kann die Einführung einer KI-Technologie teuer sein. Es geht ja nicht nur um Soft-/Hardware, sondern auch um die Schulung des Teams und möglicherweise die Anstellung von Spezialisten. Unternehmen, insbesondere kleinere, könnten
mehr auf kurzfristige Ziele ausgerichtet sein und daher nicht bereit sein, in Technologien zu investieren, die erst langfristig Früchte tragen. Man muss den Entscheidungsträgern klar machen, dass eventuell nötige Investitionen langfristige finanzielle Vorteile bringen.

Außerdem muss man nicht selbst das Rad neu erfinden und sein eigenes teures Süppchen kochen, um eine KI zu nutzen. Es gibt fix und fertige Angebote mit integrierter KI am Markt, wo man keine eigenen Prozesse mehr aufsetzen muss und somit die Kosten auch im Rahmen bleiben. Die Wahl des richtigen Anbieters ist hier essenziell. Auch ethische oder rechtliche Bedenken können zerstreut werden, wenn das Unternehmen auf die passenden Partner setzt.

Es geht bei der KI zwar um Maschinen, die Entscheidungen treffen, aber man darf dabei nicht das Bild einer Künstlichen Intelligenz à la Terminator im Kopf haben.

Leitbetriebe Austria: Welche neuen Aufgabenfelder ergeben durch die Verwendung von KI-Lösungen? Wie wandelt sich das Tätigkeitsfeld in der Buchhaltung?
Rainer Haude: Die Verwendung von KI in der Buchhaltung ist ein ständig wachsender Trend, der das Tätigkeitsfeld in vielerlei Hinsicht verändern wird. Es wird nicht nur Änderungen in Tätigkeiten geben, sondern sogar komplett neue Aufgaben und Berufsspezifikationen.

Nehmen wir als Beispiel ProSaldo.net: Dies ist ein Dienst mit dem Kleinunternehmer und Selbständige ihre Rechnungen schreiben und die Buchhaltung führen können. Mit dem Einsatz der BookingAI in ProSaldo.net bekommen User zu einer Bankbewegung einen kompletten Buchungssatz als Vorschlag. Sie brauchen diesen nur noch bestätigen. Für die relativ wenigen und sich oft wiederholenden Buchungsfälle eines Kleinunternehmens können auch Laien selbständig buchen. Damit profitieren selbst Kleinunternehmen mittelfristig davon, dass sie die Finanzen im Haus haben und sehr schnell Entscheidungen treffen können.

In der Buchhaltung und Steuerberatung werden sich Berufsfelder verändern, weil der Buchungsprozess mittel- bis langfristig bei Standardfällen wesentlich automatisiert ablaufen wird. Die Expertise dieser Zielgruppe wird weniger dazu gebraucht Buchungssätze per Hand einzugeben, dafür werden Buchhalter und Steuerberater deutlich mehr Kapazität haben, Unternehmen mit ihrem Expertenwissen inhaltlich zu beraten. Angesichts der nicht geringer werdenden Regelungsflut des Gesetzgebers wird diese Expertise und Begleitung in der Wirtschaft stark gebraucht.

Leitbetriebe Austria: Wie wird sich Ihrer Meinung nach das Thema KI in der Buchhaltung weiterentwickeln? Wie sieht Ihr Zukunftsszenario aus?
Rainer Haude: Die aktuellen Entwicklungen rund um künstliche Intelligenz adressieren aber nicht nur regulatorische Herausforderungen, sondern auch gesellschaftliche. Wie gehen wir mit den Möglichkeiten von KI-unterstützten Lösungen um? Unter welchen Bedingungen werden wir sie in der Gesellschaft akzeptieren? Bei einem auch in der Nacht verfügbaren Chat-Service werden Antworten einer Maschine sicherlich eher akzeptiert, wenn diese rasch und in guter Qualität kommen. Ohne technische Unterstützung würde es diesen Service zu diesem Zeitpunkt ja gar
nicht geben können. Aber zu Bürozeiten wird man sich bei besonders ausgefallenen Fragen weiterhin ein menschliches Gegenüber in Serviceprozessen erwarten.

Was man bereits aus dem Kundenservice kennt, sind Chatbots. Ich kann mir vorstellen, dass es beispielsweise zukünftig virtuelle Assistenten für die Beantwortung einfacher Fragen im Bereich Buchhaltung geben wird.

Es wird in der Buchhaltung immer auch komplizierte Fälle geben, die man mit Profis wie einem Steuerberater lösen muss. Das Gros der Fälle aber kann aus meiner Sicht sehr gut über eine Maschine abgedeckt werden. Ein intelligenter Assistent kann Buchungen enorm beschleunigen,
in dem der Mensch nur noch die Ergebnisse kontrolliert und bestätigt.

Und auch diese Welt wird sich noch verändern. Ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft die Buchhaltung ganz einfach vorschlagen werden. Die Engine wird dann gegen die Lösung arbeiten – sie wird jene Sonderfälle herausstreichen, die noch überprüft werden sollten.

Vielen Dank für das Interview!

Für Rückfragen und weitere Informationen steht Ihnen Frau Aleksandra Lindl, Geschäftsführerin haude electronica, unter info@haude.at gerne zur Verfügung

Weiter zum Unternehmensprofil
teilen