v.l.n.r.: Christian Fuchs, Monica Rintersbacher, Werner Beutelmeyer; © Sabine Klimpt

Familienunternehmen – Eine Spezies der Sonderklasse

Autor: Dr. Christian Fuchs, MBA, CSE (Beiratsmitglied Leitbetriebe Austria)

Familienunternehmen in ein festes Korsett zu zwängen ist ein Unterfangen, das zum Scheitern verurteilt ist. Die Betriebe sind so unterschiedlich wie die agierenden Persönlichkeiten, die diese mit Leben und Substanz erfüllen.

Gemeinsamkeiten finden sich jedoch im unternehmerischen Handeln, das geprägt ist vom Streben nach Nachhaltigkeit und Stabilität, gepaart mit Mut zur Veränderung und Offenheit gegenüber Neuem. Darüber hinaus bekennen sich die Familienbetriebe zum „gesunden Wachstum“. Das Setzen auf kurzfristige Erfolge sowie Quartalsdenken, wie häufig von börsennotierten Kapitalgesellschaften praktiziert, lehnen Familienunternehmen jedoch kategorisch ab. Sie denken „adelig“ – in Generationen. Das Unternehmen wird sehr oft als erweitertes Familienband zwischen Brüdern, Schwestern und Mitarbeitern gesehen.

Es zeigt sich jedoch, dass die Erfolgsparameter nicht immer so intensiv und umfassend gelebt werden, wie diese proklamiert und eingefordert werden, auch wenn das dafür notwendige Bewusstsein vorhanden und geschärft ist.

Klare, offene und geradlinige Kommunikation, getragen von wechselseitiger Wertschätzung, sollten für ein respektvolles Miteinander innerhalb der Familie und mit der Belegschaft sorgen. Dieser Umgang gibt den Familienbetrieben die notwendige Kontinuität und Stabilität, um Konflikten effizient entgegenwirken zu können.

Ein Pflichtenheft für erfolgreiche Familienunternehmen basiert auf denselben Parametern wie jenes für Familien, die diese Betriebe prägen. Die guten Unternehmen unterscheiden sich von den schlechten nicht dadurch, dass sie keine Probleme haben, sondern dass sie es verstehen mit ihnen besser umzugehen und diese effizienter zu lösen.

Fünf klar strukturierte „Leuchttürme“ fassen die entscheidenden Parameter der Familienbetriebe übersichtlich zusammen und unterstreichen die Wichtigkeit der einzelnen Punkte. Leuchttürme stehen für stabile Gebäude, die Stürmen und Wellen standhalten, durch ihre Strahlkraft Orientierung geben und so die Navigation zum Ziel erleichtern und Anhaltspunkte über die eigene Lokalisation geben. 

Leuchtturm 1 – Bekenntnis zur Tradition und Nachhaltigkeit
Familienunternehmen bekennen sich zur Tradition, ein Familienbetrieb zu sein und wollen diesen auch erhalten. Ganz wichtig sind ihnen auch die Werte Vertrauen, Verlässlichkeit, Solidarität, Respekt, Verantwortung, Maßhalten, Fairness und Mut.
Das Ziel ist ausgerichtet auf eine langfristige Unternehmensplanung, die in einer generationsübergreifenden Übergabe mit Wertsteigerung seinen Niederschlag findet.

Leuchtturm 2 – Bekenntnis zu Kommunikation und Konfliktmanagement
Kommunikation und Konfliktmanagement sind derart konzipiert, dass eine klare und direkte Sprache den emotionalen Konflikt erst gar nicht aufkommen lässt. Zwistigkeiten in der Familie dürfen keinen Platz in der Firma bekommen. Umgekehrt sollen Firmenangelegenheiten auch nicht ständig die Familie belasten. Die Schnittstellen der beiden Bereiche müssen genau geregelt werden. 
Es erweist sich als vorteilhaft, wenn professionelle Regeln für den Umgang mit Konflikten gegeben sind und auch das „Wie“ im Umgang mit diesen angesprochen wird.
Der regelmäßige Abstand zum unternehmerischen Alltag soll als Energiequelle für die Erledigung von beruflichen Aufgaben und Herausforderungen gesehen werden.

Leuchtturm 3 – Bekenntnis zu klaren Spielregeln und flachen Hierarchien
Die Spielregeln für die Mitarbeit der Familienmitglieder im Unternehmen sind klar geregelt und passen zu den flachen Hierarchien, die sich Familienbetriebe gerne selbst auferlegen.
Unbürokratische Kommunikationswege sorgen für Wendigkeit, generieren Zeitvorteile sowie Ideen und schaffen die nötige organisatorische Flexibilität, um im Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können. Schnell, wendig und ideenreich lautet somit die Devise. Dazu gehört auch die Rollenverteilung im Unternehmen selbst, die die Aufgaben im Betrieb zwischen Mitarbeitern und Familienmitgliedern definiert.

Leuchtturm 4 – Bekenntnis zur freien Entscheidung, fundierten Ausbildung und rechtzeitigen Übergabe an die junge Generation
Den Kindern wird nicht die Pflicht der automatischen Firmenübernahme auferlegt. Unisono berichten Unternehmerfamilien, dass die Kinder in erster Linie das machen sollen, was ihnen Freude bereitet. Sie sollen selbst entscheiden können in was sie ihr Herzblut stecken möchten. Es besteht somit keinerlei Verpflichtung, der Familienräson zu entsprechen und den Betrieb ohne Wenn und Aber fortführen zu müssen. Dieser im Unterbewusstsein verankerte Druck fällt weg und die Nachfolgegeneration kann frei entscheiden.
Interessanterweise führt diese liberale Haltung die Jugend viel stärker an das eigene Familienunternehmen heran, als dies mit der althergebrachten und pflichtgetreuen Firmenübergabe der Fall war. Die Erfahrung zeigt, dass der freie Entschluss der Nachfolgegeneration, das Unternehmen weiterhin auf Kurs zu halten, überwiegend gegeben ist.
Einigkeit besteht auch bei der langfristigen Nachfolgeplanung und der damit verbundenen fundierten Ausbildung. Eine an die Ausbildung anschließende Lehr- und Lernzeit in anderen Betrieben, wenn möglich auf internationaler Ebene, erachten Familienbetriebe als überaus förderlich.
Der Elterngeneration sollte auch klar sein, wann der richtige Zeitpunkt zum Loslassen ist, damit die „Schlüsselübergabe“ im Sinne der betrieblichen Kontinuität und Stabilität zeitgerecht vollzogen werden kann. 

Leuchtturm 5 – Bekenntnis zur externen Beratung
Führungskräfte in Familienbetrieben sind nicht beratungsresistent aber teilweise skeptisch, wenn es um das Hinzuziehen von externer Expertise in ihren angestammten Bereichen geht. Externe Berater werden daher meist nur anlassbezogen eingesetzt und müssen gleichzeitig ein hohes Maß an Sensibilität zeigen.
Der externe Beirat, der als Sparringspartner eine ausgezeichnete Unterstützung bieten kann, steht bei heimischen Familienbetrieben derzeit noch nicht so hoch im Kurs im Vergleich zum internationalen Umfeld. Dort sind externe Beiräte mittlerweile schon State of the Art geworden. Ähnlich verhält es sich bei internen Kontrollsystemen, Compliance- und Risikomanagement sowie der internen Revision.
Regelungen der familiären Strukturen mittels Familienrats und Familienmanager werden oft erst dann Beachtung geschenkt, wenn konfliktbedingt Anlass dazu geben ist. Die Implementierung solcher organisatorischen Instrumente bewirkt bei Familienunternehmern oftmals ein starkes Gefühl der Erleichterung, verbunden mit berechtigtem Zukunftsoptimismus.
Eine noch höhere Akzeptanz findet nur eine gemeinsam erarbeitete Familienverfassung, in der die entscheidenden Parameter im Sinne aller Beteiligten geregelt werden. Bei der Familienverfassung steht nicht die rechtliche Verpflichtung zur Einhaltung auf Basis eines „contractus est ex attornatus“ – Vertrag eines Rechtsanwalts – im Fokus, sondern ein moralisch verpflichtendes Bekenntnis zur Familie und zum Unternehmen.

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